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Volltext: Monatszeitschrift XV (1912 / Heft 2)

sichtnahme fallen müßte. Aber gerade jenes Entgegenkommen, das für die Gesellschaft so 
wichtig ist, wird für die Kunst so gefährlich. 
EZESSIQN. Die Vereinigung bildender Künstler Österreichs „Sezessiorw hat dies- 
mal ihre Räume einer Sammlung von Plakaten und einer Ausstellung von Arbeiten 
des Architekten Leopold Bauer geöffnet - auch im buchstäblichen Sinne. Ein großer 
l-Iauptsaal, der die volle Breite und Höhe des Gebäudes einnimmt, ist bis an die Decke mit 
Plakaten der verschiedensten Formate, Auffassung und Wirkungsweise angefüllt. Und 
obwohl an vielen Stellen des Raumes durch Schriftbänder verkündet wird, daß auch das 
beste Plakat durch schlechtes Aufhängen um seine Wirkung gebracht wird, so kann man 
doch beim besten Willen in der vorgeführten Art der Anbringung keinerlei künstlerisches 
Prinzip auflinden - man kann in der Rundplanke des Hofes nur einen Anlauf dazu ent- 
decken. Das hat in ihrem Plakatraum seinerzeit die Kunstschau besser durchgeführt. Es 
muß dies um so mehr bedauert werden, als wirklich viel Vortreflliches vorhanden ist. Dafür 
kann man sogar die Entwicklung der Plakatkunst studieren, weil aus Privatsammlungen 
viele Arbeiten entnommen wurden, die der Geschichte des Plakates und damit der 
Geschichte der graphischen Kunst angehören. Nur muß man sich das Zusammengehörige, 
das nach der Provenienz, nach der Auffassung Verwandte mühsam zusammensuchen. 
Man kann ja auch im Plakat und hier sogar leichter wie anderwärts die künstlerische 
Zusammengehörigkeit nach Rassen und Ländern als ein treffliches Orienüerungsmittel 
benutzen. Auffallend tritt dieses Moment bei den Franzosen in die Erscheinung, die wohl 
bahnbrechende Plakatkünstler haben, aber doch die letzten Konsequenzen dieser vom 
modernen Stilismus heute ganz beherrschten Kunstform nicht mehr mitmachen wollen. 
Hingegen hat der europäische Norden die Führung an sich gerissen und in Beardsley, 
Beggarstaff und andern Plakatkünstler vom reinsten Wasser erhalten. 
Man kann neben dieser rein ilächenhaften Plakatkunst, die in Beggarstaff wohl die 
markanteste Erscheinung zeitigte, die geistreichen Arbeiten von Steinlen, Leandre, Cheret, 
Veber mehr als riesenhafte Skizzenbuchblätter bezeichnen. Nur Toulouse-Lautrec, Grasset 
nähern sich entschiedener dem eigentlichen Plakatstil. 
Deutschland und Österreich haben indessen viel zur besten Entwicklung des Plakates 
beigetragen. Die Sezession selbst kann in ihren eigenen Plakaten eine Reihe von glänzenden 
Erfolgen auf diesem Gebiete vorführen, nur müßte sie damit auch bis auf die Gründung 
der Vereinigung zurückgehen (Andri, Klimt etc.). Die vortrefflichen Leistungen, die gerade 
die jüngere Wiener Schule im Plakatwesen zu verzeichnen hat, treten in dieser Ausstellung 
nicht genügend hervor, leider ebensowenig Polen und Böhmen. Dafür nimmt Deutsch- 
land einen sehr breiten Raum ein und zeigt, daß heute bereits eine große Zahl außerordent- 
lich tüchtiger Künstler dem Plakat nicht nur ihr Interesse zuwenden, sondern auch wirk- 
lich praktisch beschäftigt werden. Zu den Interessantesten zählt unter andern julius 
Klinger, der von den Simplicissimus-Kräften vieles und gutes ins Plakat hinübergenommen 
hat, und Scheurich, der von Engländern viel gelernt hat. 
Räumlich benachbart, aber ohne inneren Zusammenhang schließt sich Leopold Bauers 
Sonderausstellung an die der Plakate. Der vielbeschäftigte Architekt ist erst kürzlich zu 
einer sehr wichtigen und großen Wiener Aufgabe herangezogen worden und hat damit 
einen starken praktischen Erfolg seiner künstlerischen Politik errungen. Mit einem Begleit- 
schreiben, das er dem Katalog seiner Ausstellung vorausschickt, hat er nun seinen 
persönlichen Standpunkt den künstlerischen Zeitfragen gegenüber motiviert. Er hat sich 
damit dazu bekannt, daß er es jetzt vermeidet, vorwiegend dasjenige besonders heraus- 
zuholen und zu betonen, was für unsere Zeit das Neue und Charakteristische bildet 
was er aber früher doch mitunter und mit Glück geübt hat f und heute lieber vorzieht, 
der Tradition zu folgen, Anknüpfungen an die Leistungen der Vergangenheit zu suchen, 
die für uns wertvoll sind. Seine ausgestellten, sehr sorgfältig durchgearbeiteten Pläne, 
Schaubilder, Modelle sprechen eine noch viel deutlichere Sprache. Über das Maß von
	        
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