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ziehen, und Fischnaler faßt das Resultat auch
dahin zusammen: „An ein bloßes Urnrißschema
Kölderers ist ebenso wenig zu denken wie an
eine sklavische Übertragung der Zeichnung
seitens Dürers." Ich möchte dabei den Nach-
druck auf das letztere legen und damit werden
wir die Kronenträgerin, so wie sie heute in der
Ehrenpforte prangt, doch mehr als ein Werk
Dürers denn Kölderers ansehen dürfen. Den
Girlanden möchte ich aber schon deshalb keine
allzu große Bedeutung beimessen, weil ihre
Funktion an dem Lusterweibchen doch eine
wesentlich andere ist. Überdies mußte der
Gedanke, das Traggehäng mit Girlanden aus-
zugestellten, gerade der Frühzeit des Jahrhun-
derts sehr naheliegen. Auch andere Einzel-
heiten wird man nicht überschätzen dürfen; die
seitwärts geneigte, überaus anmutige Haltung
des Köpfchens hat die Kronenhalterin auch mit
mancher Madonna Dürers gemein. Mit min-
destens ebenso großem, ja größerem Rechte
konnte man eine Beziehung zwischen dem
Leuchterweibchen und Dürers Lucretia - der
Zeichnung wie dem Bilde H oder seinem Ent-
wurf des Lusterweibchens in der Albertina an-
nehmen. So lange also nicht zwingendere
Gründe für Kölderer als den Erfinder der
Kronenträgerin der Ehrenpforte sprechen, wer-
den wir sie, so verführerisch Fischnaler auch
zu locken weiß, aus dem Vergleich mit dem
Leuchterweibchen ausschalten müssen.
Wir sind leider über Kölderers künst-
lerische Handschrift als Maler und Zeichner
recht wenig unterrichtet und müssen uns heute
Abb- 6- _ noch mehr mit Vermutungen zufrieden geben,
gäfzsrr'zch'n als daß wir uns auf Tatsachen stützen könnten.
Kölderers Malerei am alten Wappenturm in
Innsbruck ist uns nur in einigen Gemälden und graphischen Blättern über-
liefert, die nur gegenständlichen Wert beanspruchen, und auch „der kleinen
pildl visierungen", das heißt die Entwürfe zu den Statuetten der Sippschaft
des Kaisers für dessen Grabmal sind nicht erhalten. Aus den Statuetten
selbst läßt sich aber kein untrüglicher Rückschluß auf Kölderers künstlerisches
Eigentum daran ziehen, da auch der Modelleur bei der gewichtigen Aufgabe
der Übersetzung der Zeichnung in die plastische Form nichts Unwesentliches