wirklich den neben Altdorfer wichtigsten Vertreter
des Donaustils, den späteren Passauer I-Iofmaler
Wolf Huber von Feldkirch in Vorarlberg, erblicken
wollten, wofür aber bei der Häufigkeit des Namens
durchaus keine Gewißheit besteht, so müßte dieser
dem I-lauptrneister Altdorfer schon hinsichtlich
des früheren Auftretens den Platz räumen. Einen
Einfluß auf die Entstehung des sogenannten Do-
naustils möchte ich aber aus der Tatsache der
unmittelbaren Entlehnung des Altdorferschen
I-Iolzschnittes nicht konstruieren, denn einmal
läßt uns dieses Blatt nur eine Seite und nicht
einmal die wichtigste des Stils erkennen, und zwei-
tens tritt der Stil in früheren Werken der Brixener-
Neustifter Schule bereits klarer und reifer in die
Erscheinung. Als ein besonders charakteristisches Abb- 14- Yerkündisßns des Engels
Beispiel ist vielleicht hier das Tafelbild „Christus a" l""'jf,',';,j,jjfjfg'j;fef- 4 w"
und Pilatus vor dem Volke" im Ferdinandeum zu '
Innsbruck anzuführen, das Tietze zum ersten Male veröffentlichte} Nehme
ich nun auch für die Kunst des frühen XVI. Jahrhunderts in Tirol keinen so
weit versprengten Einfluß Altdorfers für die Entstehung des Donaustils an,
so läßt sich andrerseits bei der gleichen Zielen zustrebenden Richtung der
südtirolischen, besonders Brixener-Neustifter Schule annehmen, daß Alt-
dorfers „gedruckte Kunst" der weiteren Entwicklung des Stils im Süden
entgegenkam. Sollten sich für die Sippenszenen des Gossensaßer Barbara-
Altars nicht noch graphische Vorbilder finden lassen, so könnte ich mir
doch wohl vorstellen, daß des Regensburgers Kunst ihm wertvolle Anregung
gegeben hätte.
Altdorfers graphische Kunst scheint niemals die weite Verbreitung und
Nachahmung durch Maler und Bildhauer gefunden zu haben wie etwa die
Dürers. Außer dem Liebesbrunnenrelief des Kaiser Friedrich-Museums in
Berlin," das im einzelnen eine freie Verarbeitung verschiedener Motive des
Regensburger Meisters erkennen läßt, ist mir nur noch ein fragrnentarisches
Relief bekannt, das deutlich seine Patenschaft verrät, die Verkündigung des
Engels an Joachim in der St. Martinskapelle in Freising (Abb. I3), die auf
den Holzschnitt B. 4 der Folge des Sündenfalls und der Erlösung zurückgeht
(Abb. I4).""'"k Auch der Stil dieses Reliefs weist auf die Werkstatt Kölderers.
Die gemalten Außenseiten der Flügel mit den Szenen aus der Kindheit
Jesu stehen den Schnitzwerken der Innenseiten wie häufig an künstlerischem
Werte erheblich nach (Abb. 15). Es sind ziemlich handwerkliche Leistungen,
die jedoch gleichfalls beachtenswerte Aufschlüsse über den Werkstattbetrieb
' Kunstgeschichtliches jahrbuch der k. k. Zentralkornmission Wien, II (1909), S. x.
" Amtliche Berichte aus den Königlich Preußischen Kunstsammlungen XXIX (1907 -xgo8), S. 165.
m" Richard Hofmann, Die Kunstaltenilrner im erzbischöilichen Klerikalseminar zu Freising. München
1907, Nr. x40, hier irrtümlich als Vision Ezechiels gedeutet.