MAK

Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 12)

19:5 im Hinterlande noch 390.000 Flüchtlinge (mit Ausschluß von Ungarn) untergebracht 
gewesen, darunter sind 73.000 in Barackenlagern (die für 130.000 berechnet sind) vereinigt 
worden,unter denenwieder einzelne wie Gmünd (2x.30oPersonen),Wagna (r4.50o), Chotzen 
(r 1.200) besonders große Niederlassungen darstellen. 
Daß solche ausgedehnte Barackenlager interessante bauliche Aufgaben bieten, ist aus 
den Modellen und Plänen der Objekte gut zu erkennenf Besonders die kirchlichen Bauten 
weisen eine gute Rücksichtnahme auf das Baumaterial und die freie Lage auf und halten 
sich in erfreulicher Weise vom gedankenlosen konventionellen Schematismus fern, der 
allen rasch entstehenden Nutzbauten leicht gefährlich wird; man fühlt an einzelnen die 
künstlerische Einüußnahme und freut sich der ansprechenden Lösungen, die aus der Auf- 
gabe und dem Material abgeleitet wurden und vollkommenste Zweckerfüllung zeigen. 
Es lag in den Verhältnissen begründet, daß die Zusammenfassung von Flüchtlings- 
gruppen eine vorherrschend nationale Gruppierung ergab. Dies hat nun wieder zu inter- 
essanten Ergebnissen auf dem Gebiete der Beschäftigung der Flüchtlinge geführt, welche 
nicht nur der augenblicklichen Selbsterhaltung, sondern auch ferneren Friedenszeiten 
nutzbar gemacht werden konnte. 
Einerseits sind handwerkliche Kräfte unter fachmännischer Leitung an der Herstellung 
von Kleidung, Gerät und selbst von landwirtschaftlich wichtigen Ausrüstungsgegenständen 
für den Wiederaufbau Galiziens herangezogen worden, anderseits sind erzieherische Maß- 
nahmen und Anregungen für produktive Erwerbstätigkeit in Fülle erflossen. Hier hat außer 
der staatlichen Hilfe auch private Initiative vielfältig mitgewirkt. Die kürzlich aus Flücht- 
lingsarbeiten einer großen privaten Arbeitsschule (von Frau Anita Müller) veranstaltete 
Sonderaustellung. „Die Kunst der Nadel" war ein Vorläufer der reichhaltigen Schau von 
weiblichen Handarbeiten, welche die Kriegshilfe bringt. Hier spielen wieder die südlichen 
Länder mit ihren Spitzen und Stickereien eine stark hervortretende Rolle. Kostüme von 
großem Reiz hat das Kuratorium der Berufsberatung und Arbeitsvermittlung für Krieger- 
witwen ausgestellt. Diese Gruppen von Arbeiten strebten die Befriedigung von Luxus- 
bedürfnissen an und entfernten sich oft erheblich von der nationalen Grundlage. Ganz auf 
dieser fußt hingegen die in künstlerischer Hinsicht besonders interessante Sammlung von 
Stickereimustern ruthenischen Ursprungs aus den Barackenlager in Gmünd. Es gelang 
einer verständnisvollen Einßußnahme, zu erreichen, daB eine stattliche Reihe über- 
kommener Motive der ukrainischen Heimatkunst von Flüchtlingen aus dem Gedächtnis 
mit Nadel und Faden wiedergegeben wurden. Die so erhaltene umfangreiche Sammlung 
wird in Hinkunft einen wertvollen Bestand für das Studium bilden. 
In solchen Resultatenliegt wieder sehr vielErfreuliches. Esist ein vertrauenerweckender 
Hinweis auf zukünüiges Gedeihen, das aus der vollen Erkenntnis vorhandener wertvoller 
Kräfte emporwachsen muß. Der unerschöpfliche Born nationaler Eigenart, alter künst- 
lerischer und handwerklicher Überlieferung, der bisher zumeist im Verborgenen fioß, wird 
hier an einzelnen Stellen wie durch Zufall aufgedeckt. Solche nährende und köstliche 
Quellen sind zahlreich in unserer schönen Monarchie verbreitet; und wenn der Krieg die 
politischen Einheitsbesn-ebungen mit starken Zusammengehörigkeitsgefiihlen ausgerüstet 
hat, so möge nun auch die Erkenntnis all der reichen mannigfaltig vorhandenen produktiven 
Kräfte diese zu gemeinsamen Zielen auf künstlerischem und handwerklichem Gebiete 
zusammenschließen. 
Hier sind Friedensziele von großer Bedeutung sichtbar geworden, welche die Kriegs- 
arbeit aufdecken half. Unter den vergänglichen Schöpfungen der staatlich organisierten 
Flüchtlingsfürsorge, welche nach dem Kriege ihre Notwendigkeit verloren haben werden, 
wuchsen so unvergängliche, für die Zukunft bedeutungsvolleResultateund Leistungen heran, 
die über das momentane Erfordernis der Not hinausreichen. 
" So in die fortschreitende Entwicklung der Wohnbaracken bis zur Unterbringung der Familien in kleinen 
abgeschlossenen Wohnungen sehr bedeutsam.
	        
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