lich sehr oft leidet, wenn auch nicht so häufig wie das Schwarz. Das Seiden-
material ist fast nicht gedreht und von jener eigentümlich leinenartigen
Wirkung, wie man sie häufig bei sehr alten Stücken beobachtet.
Die ganze Erscheinung des Stückes wird wohl jeden Kenner sofort an
die Stickerei von Bayeux mit ihrer bekannten Darstellung der Einnahme Eng-
lands durch die Normannen erinnern; auch die farbige Wirkung stimmt mit
diesem Stücke, nur ist die Durchführung des riesigen Streifens von Bayeux,
der über 70 Meter lang ist, nicht so fein als bei der hier abgebildeten Arbeit."
Das Rankenwerk der Stickerei von Bayeux ist meist dünnstieliger, aber doch
sehr nahe verwandt; bei unserem Stücke erscheint es etwas lebendiger und
feiner in den Einzelforrnen. Die Köpfe stehen bei beiden Arbeiten einander
sehr nahe, im besonderen auch in der Wiedergabe der Augen mit ihren
blauen Augensternen, sowie der Haare, die (dem Barte gleich) weit in den
Nacken herabfallen und in der Farbe oft völlig von naturalistischer Dar-
stellung abweichen. Die nachfolgende Abbildung auf dieser Seite mag die
allgemeine Verwandtschaft zur Anschauung bringen. Daß die Verfeinerung
der Formen unseres Stückes gerade auf spätere Entstehung hinweise,
möchten wir nicht behaupten, da für verschiedene Zwecke gewiß gleich-
zeitig verschieden gearbeitet worden ist.
Man wird es möglicherweise etwas kühn finden, wenn wir unser Stück
den Stickereien von Bayeux, die allgemein in die zweite Hälfte des XI. Jahr-
hunderts versetzt werden, zeitlich gleichstellen; doch wird diese Verwegen-
heit vielleicht geringer erscheinen, wenn wir erklären, daß wir schon seit
längerem nicht mehr an eine so frühe Entstehung der genannten Stücke
glauben. Während wir diesen Be-
richt niederschreiben, erhalten
wir nun die neueste Veröffent-
lichung über die „Bayeux Ta-
pes ", deren Verfasser Hilaire
Belloc (auf Seite II ff.) auch die
Idee verliebt, daß diese Arbei-
ten erst der zweiten Hälfte des
XII. ]ahrhunderts angehören.
Zu vergleichen wären übri-
gens die Stickereien aus Sens
und Hildesheim (im South Ken-
sington Museum)" die wohl mit
Recht dem XIII. Jahrhunderte
zugeschrieben werden, aber auch
" Auch bei der Stickerei von Bayeux
treten die Umrisse besonders hervor, aber in
verschiedenen von der Innenzeichnung abwei-
chenden Furben (Rot, Blau, Gelb).
f" Beide bei De Farey, „L: Broderie", Ausschnitt aus dem „Teppich von Bayeux" (zum Vergleiche
Paris 1890 (Tafel 12 und 10), abgebildet. mit der Abbildung auf Seite 11a)