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Volltext: Monatszeitschrift XXIV (1921 / Heft 1, 2, 3 und 4)

Der Einbruch der zentralasiatischen Eroberer zu Beginn des zweiten _]ahr- 
tausends dürfte dann die antike Tradition verschüttet und die heimischen 
Gewohnheiten mitgebracht haben. Bei dem berühmten Verkaufe der 
Teppichschätze der fatimidischen Kalifen im Jahre 1067 hören wir noch nur 
von Wirkarbeitenf damals waren also mindestens die Prunkstücke noch in 
dieser Technik gearbeitet. 
Allerdings tritt der Erkenntnis des geschichtlichen Ablaufes schon der 
ältesten Zeit die gleiche Schwierigkeit entgegen, die noch die systematische 
Gliederung des erhaltenen Bestandes an Orientteppichen erschwert. Unsere 
Kenntnis ist nicht nur an sich lückenhaft, sondern umfaßt auch ein Material, 
das zum Teil ganz verschiedenen Kulturschichten seine Entstehung verdankt. 
Man muß Kulturschichten sagen, denn der Hauptunterschied etwa zwischen 
einem Perserjagdteppich und einem Kaukasusteppich entstammt nicht der 
Zeitdifferenz, die ihre Entstehungsdaten bedingen, sondern er liegt darin 
begründet, daß stilistisch der eine ein Erzeugnis des Kunstgewerbes ist, der 
andere dem Bereiche der Volkskunst" angehört. Es bedürfte also der Durch- 
arbeitung des gesamten Ornamentschatzes der Teppiche unter diesem Ge- 
sichtspunkte daraufhin, was er über den Gang der Entwicklung aussagen kann. 
Wir fanden die frühesten Teppiche der Art, die wir als orientalische 
im besonderen zu bezeichnen pflegen, in Zentralasien. Da nun heute noch 
dort Teppiche mit sehr primitiven Mustern gefertigt werden, so könnte der 
alte Streit, ob es sich bei ihnen um Atavismen handelt oder ob die Formen- 
sprache der Verkümmemng einer höherstehenden ihre Entstehung verdankt, 
ein neues Interesse gewinnen. Ich halte allerdings die Fragestellung mit 
ihrer Alternative für falsch. Denn es kann ja auch: sowohl - als auch heißen 
müssen, also es könnten in den sogenannten Nomadenteppichen Misch- 
produkte einer Volkskunst vorliegen. Und meines Dafürhaltens ist es so. 
Abbildung 2 zeigt einen modernen Turkmenenteppichfhk" Ich bitte, zunächst 
die Elemente der Ornamentik ins Auge zu fassen. Als Hauptmotiv läßt sich 
ein Zacken herausschälen, der an der Spitze umbiegt oder wenigstens zu- 
gespitzt ist, und der mit einem Gefährten symmetrisch zusammengestellt 
wird. Es kann kein Zufall sein, daß das Hauptmotiv an den Konturen liegt, 
denn wie stark zeichnerisch das Muster empfunden ist, lehrt die eckig 
gebrochene Linie, lehrt das Stufenmotiv, zeigen endlich die Rhomben. Sind 
in der eigentlich islamischen Kunst die Konturen für das Konturierte im 
wesentlichen bedeutungslos - sie sind entweder bis zum Unfaßbaren ver- 
unklärt oder sind ganz primitiv, eigentlich negativ gegeben -, so soll hier 
durchaus der Kontur das Motiv zusammenhalten und zur Einheit schließen. 
Die Eingeborenen gehen bei ihren Benennungen der Teppiche auch von 
4' Karabacek, a. a. 0., Seite x95 f. 
'" Ich habe eine Charakteristik der Volkskunst im allgemeinen in dieser Zeitschrift, XXIII, Seite 60, zu 
geben versucht. 
"h" Nach „Tapis de PAsie Centrale etc. par A. Bogolubow" (St. Petersburg-Leipzig 1908), Tafel XVI. - 
Es besteht Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß Marco Polo in seiner bekannten oft zitierten Stelle des ersten 
Buches nicht von turkmenischen, sondern von türkischen Teppichen spricht.
	        
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