nicht etwa die Umsäumung runder Löcher dazu rechnen will. Eine an-
dere, gleichfalls seltene Technik ist die, dass zuerst ein Muster gehä-
kelt wird und sie darauf die wichtigeren Theile des Musters durch F äden
(weisse), welche mit der Nadel eingezogen werden, hervorheben. Eine
andere Technik, welche ganz besonders auf Bettdecken im Gebrauche ist,
besteht darin, dass sie die Muster, welche im geblümten Zeuge sind, mit
der Nadel nachstechen und ihnen folgen.
Am reichsten in den Mustern, am schönsten in der Durchführung
und am häufigsten ist die Guipurtechnik im Gebrauche. Erst wird
mit vieler Mühe und Geduld der Schussfaden ausgezogen, der ganzen
Breite nach die Ränder an den beiden Seiten ausgenommen und zwar
nach einem bestimmten Gesetz 2, 4, 6, B oder auch in ungeraden Zahlen.
Darauf werden die schmalen Ränder an den Seiten festgenäht; danach
geben sie wieder nach einem gewissen, von dem Muster, das sie bilden
wollen, abhängigen Zahlgesetz die Kettenfaden fest zusammen, indem sie
einen Faden herumwinden. Auf diese Weise erhalten sie Gitter mit
starken Rändern, damit erlangen sie den Fond. Und nun guipuren sie,
theils mit horizontal geführten Stichen stellenweise einen neuen Schuss
einsetzend, der das Muster bildet, theils mit vertical geführten Stichen
die einzelnen Gitter ornamentirend.
Hier entstand die Guipurteclmik aus Mangel an Material; der
durch das Ausziehen des Schusses gewonnene Faden wird verarbeitet
und auf diese Weise der Trieb nach Schmuck befriedigt. In der kalten
Zone und besonders am weissen Meere sieht man gar viele Stellen, wo
schon im März und April Mangel desNothwendigsten an Nahrung, Klei-
dung u. dgl. einreisst, die Hausthiere auf ihre Excremcnte, die Menschen
auf Wasser und Brod wochenlang angewiesen sind, die Mädchen, wenn
sie nähen wollen, auf das Ausziehen des Schussfadens, - bis die immer-
während am Himmel stehende Sonne den Schnee und das Eis schmelzt,
die Segel sich im Winde blühen und die Schiffer hinausziehen nach Nor-
wegen oder nach anderen Stellen (Arcliangel), um die nothwendigen Pro-
ducte, die nun schon seit Wochen entbehrt wurden, den Sehnenden zu-
zuführen.
Eine andere Frage ist gleichfalls interessant. Die geometrischen
Ornamente sind ganz allgemein, die Stickerei gleichfalls, byzantinische
Ornamentmotive hat man eingeführt: die Technik des Kreuzstiches, die
sich nur für geometrische und stylisirte Ornamentik, nicht fiir natura-
listische eignet -- kennt man nicht. Ist diese Technik zu kostspielig,
die schon die alten Aegypter gekannt und geübt haben, oder - nahm
die völlig traditionelle Kunstindustrie der Bewohner des weisseu Meeres
ihren Weg von Ostasien her? Hiefür fehlt uns noch das Material zur
Beurtheilung.
I!