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auch eine große Anzahl von Exemplaren ausgegossen werden_ Unerläss-
lich waren hiebei gewisse Kunstgritfe, welche das genaue Zusammen-
setzen und wieder Auseinanderlösen der Stückformen gestatteten. Ins-
besondere galt dies und gilt noch gegenwärtig bezüglich des Kernstückes
der hohl zu gießenden Gefäße, das aus zusamrnengefügten Keilen bestehend,
sich stückweise aus dem Gefäßinneren entfernen lassen muss. Zum Gießen
von Zinnl-iguren als Spielzeug oder von Reliefs auf Hachem Grunde werden
die Formen von jeher in Schiefer geschnitten.
Viel wurde schon darüber gestritten, ob die in höchster Zierlichkeit
und Formvollendung ausgeführten reliefirten Zinngefäße als Originale
oder als Ahformungen früher vorhandener Gold- und Silberarbeiten zu
betrachten seien. Man wollte die letztere Eventualität hauptsächlich mit
der Thatsache der gelegentlich vorgekommenen Einziehung der Edel-
metallarbeiten in Verbindung bringen und mit dem hiebei zu Tage tretenden
Bedürfnisse der Besitzer, sich wenigstens Abformungen solcher abzu-
liefernder Objecte aufzubewahren. Die Frage der Richtigkeit einer solchen
Anschauung ist wohl bald entschieden: Wohl mögen viele Abformungen,
auch aus dem ebenerwähnten Anlasse entstanden, vorgekommen sein,
aber die allermeisten und gerade die besten der plastisch verzierten Zinn-
objecte erweisen sich untrüglich als selbständige Erzeugnisse und sind
als solche auch leicht zu erkennen, da zwischen den Ausgüssen aus
geschnittener Form und den Abformungen getriebener oder ciselirter
Stücke ein nicht zu verkennender Unterschied besteht. Das Vorkommen
solcher, den Arbeiten aus Edelmetall an Schönheit gleichkommender
Zinnobjecte ist bis in das 15. Jahrhundert zurück nachweisbar. Der
Nürnberger Johann Neudörfer berichtet in seinen vom Jahre 1547
datirten Nachrichten von Künstlern und Werkleuten seiner Vaterstadt
von dem Zinngießer und Pulvermacher Martin Harscher, dass er Alles
was ein Goldschmied von Silber anfertigte, v-also rein von Zinn zuwege
gebracht haben. Da Harscher 1523 in einem Alter von 83 Jahren starb,
so gehört sicher ein Theil seiner Thätigkeit noch dem 15. Jahrhundert
an. Auf die Feinheit seiner Arbeiten lässt allein schon die Wahl der
Gegenstände, der Hoffebecher, deren immer mehrere ineinandergesteckt
einen einzigen Becher bilden, der nMaigeleinu u. s. w. einen Schluss
ziehen. Von den Zinnarbeiten des 15. Jahrhunderts sind verhältniss-
mäßig wenige auf uns gekommen, doch können wir uns von ihrem Charakter
im Allgemeinen um so eher eine genaue Vorstellung machen, als die Haupt-
typen der spätgothischen Zinngefäße sich auch im 16. Jahrhundert noch
erhalten haben, z. B. die vieleckigen Kannen, welche auf ihren Flächen
oft gravirte Heiligenfiguren in Nischen zeigen u. dgl. m. - Solche poly-
gone Gestaltung, sowie die später vorkommende Anordnung gewundener
convexer Cannelirungen wurde allem Anscheine nach durch Repoussiren des
ursprünglich drehrunden Gefäßbauches hervorgebracht, wenigstens ist ein
solches Verfahren bei sehr vielen Objecten mit Sicherheit nachzuweisen.