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Der plastisch verzierte Zinnguss erlangte in der Renaissanceperiode
seine höchste Vollendung. Die rasch emporblühende Kunst der Klein-
meister des Kupferstiches wirkte auch hier wie anderwärts befruchtend.
Mit den besten der hiehergehörigen Arbeiten sind zwei Namen in Ver-
bindung zu bringen, die Namen von Männern, deren persönliche Relationen
heute noch nicht aufgeklärt sind; über deren Thätigkeit und deren An-
theil an manchem erhaltenen Meisterwerke des Zinngusses heute noch
gestritten wird. Es sind dies Caspar Enderlein und Francois Briot.
Ueber den erstgenannten findet sich eine kurze Notiz bei Johann Gabrie1
Doppelmayer in dessen vHistorischer Nachricht von Nürnberger Mathe-
mathicis und Künstlerm vom Jahre 1730. Wir erfahren daraus, dass
Enderlein aus Basel gebürtig war und den 19. April 1633 starb. Doppel-
mayer sagt von ihm noch, dass er wauf die Beförderung seiner Profession
fleißig bedacht gewesener sei; "dass er das Poussiren, Steinschneiden
und Gießen mit vieler Geschicklichkeit triebn. Unter Anderen habe er
auch die ersten hängenden Leuchter aus Zinn gegossen. Bezüglich
Frangois Briot hat man nur schwankende Nachrichten. Am wahrschein-
lichsten ist, dass er, ungefähr zur selben Zeit wie Enderlein lebend, aus
Mömpelgard (französ. Montbeliard) stammte und in württembergischen
Diensten hauptsächlich als Münzgraveur sich hervorthat. Seine Abstam-
mung aus einer französischen Hugenottenfamilie ist wohl unzweifelhaft
Näheres über seine Lebensumstände fehlt bis jetzt noch gänzlich.
Die berühmten, auf diese beiden Künstler zurückzuführenden Arbeiten
sind Schüsseln und Kannen, wie solche als Taufgeschirre des späten 16. Jahre
hunderts vorkommen. Von der vielgenannten nTemperantiaschüsselu exi-
stiren mehrere, wenn auch nicht identische, doch als Repliken zu bezeich-
nende Exemplare. Manche mit dem Bildnisse Briots, manche mit demjenigen
Enderleins auf der Rückseite geziert. Bei den Reliefporträts ist die Be-
zeichnung sculpebut und der Name des Künstlers beigegeben. Das Relief-
medaillon im Centrum der Vorderseite zeigt die Figur der Temperantia,
um welche sich, in einer breiten Zone angeordnet, mit Cartouchen umrahmt,
die Sinnbilder der vier Elemente gruppiren. Reiches Groteskenwerk in
vollendeter Durchführung verbindet diese figuralen Darstellungen. Acht
kleinere Gestalten, Minerva und die sieben freien Künste schmücken den
äußeren Rand, dessen abwechselungsvolle Ornamentirung auch diese Zone
zu einem geschlossenen Ganzen macht. Auf der zur Schüssel gehörigen Kanne
sind in analoger Ausstattung die Gestalten der drei Cardinaltugenden ersicht-
lich. In dem Streite um die Zuerkennung der Priorität an den einen oder den
andern der Schöpfer dieser Meisterwerke hat sich allmälig die vorwiegende
Meinung zu Gunsten Bri0t's bemerkbar gemacht. Ein sicheres Urtheil war
bis jetzt umsoweniger möglich, als die Formen der erwähnten Porträt-
medaillons nicht nothwendigerweise gleichzeitig mit jenen der übrigen
Theile entstanden sein müssen und daher nach dem Charakter dieser