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1873 erzielt worden sind. Wenn nun eine Ausstellung von Stickereien
nationaler Hausindustrie in's Programm Aufnahme gefunden hat,
so geschah dies mehr um der Zukunft als um der Gegenwart willen.
Denn das in dieser Abtheilung Ausgestellte gehört fast durchwegs einer
mehr oder minder entfernten Vergangenheit an und wird gegenwärtig
nicht mehr als Hausindustrie geübt. Man hat aber in unseren Tagen die
hohe Bedeutung erfasst, welche der nationalen Hausindustrie mit Bezug
auf die kunstgewerbliche Bewegung innewohnt, indem sie der letzteren
einen reichen Schatz von Motiven vermittelt, die, aus der Hausindustrie
hervorgegangen, völlig dazu bestimmt zu sein scheinen, in Hinkunft eine
ausgezeichnete Grundlage für die Hausstickerei unserer Frauen abzugeben.
Man hat auch diese Quellen mehrfach nutzbar zu machen gesucht, so
namentlich in Ungarn, dessen Damenarbeiten, wie wir hier nachtragen
wollen, im allgemeinen Charakter von den cisleithanischen wesentlich
nur durch die besondere Vorliebe für Muster ihrer heimischen Haus-
industrie sich unterscheiden. Wenngleich die einzelnen hiebei in Betracht
kommenden Nationen in dieser Abtheilung nicht gleichmäßig, ja nicht
einmal vollständig vertreten sind, so gewinnt man aus ihrer Betrachtung
immerhin ein übersichtlicheres Bild als auf den bisherigen Expositionen.
Denn neben dem Süden, den wir von Budapest her in frischer Erinnerung
haben, ist diesmal auch der Norden der Monarchie stattlich vertreten. Das
Vaterländische Museum zu Olmütz und das Mährische Gewerbemuseum
zu Brünn, ferner einige Private haben es durch ihre Einsendungen ermög-
licht, dass die mährische Hausindustrie in ihren verschiedenen Unter-
abtheilungen - der hannakischen, slovakischen, mährisch-croatischen -
in erschöpfender Weise vertreten ist. Ein anderer nordslavischer Stamm,
der durch seine Entrücktheit von der Heerstraße der politischen und
socialen Umwälzungen der neuesten Zeit sich seine althergebrachte natio-
nale Kunstübung bis auf unsere Tage bewahrt hat _ der ruthenische -
ist durch die Collection einer eifrigen und verdientstvcllen Sammlerin,
des Frl. Hieronyma Ozarkiewicz, in dankenswerther Weise repräsentirt.
Für die Kunstübung der Südslaven, zu denen die Serben das größte
Contingent stellen, haben das Gewerbe-Museum zu Agram, Herr Plaväiö
in Essegg und Frau Sectionsräthin Herich vielseitige Beiträge geliefert.
Ja selbst der Orient spielt unmittelbar in diese bunte und abwechslungs-
reiche Abtheilung herein: Bosnien hat Gold- und Seidenstickereien in
türkischer Art gebracht, von denen die älteren die herkömmliche Gedie-
genheit der orientalischen Textilkunst in glänzender Weise documentiren.
Um endlich mit dem äußersten Süden zu schließen, sehen wir in Dal-
matien zwei verschiedene Strömungen selbst in den heutigen Arbeiten
noch mächtig: Goldstickereien unter orientalischem Einflusse, wie sie von
den Confectionären des Landes für nationale Costüme geliefert werden,
und reizende Spitzenarbeiten als Einsätze an Hemden, die direct an die
gepriesenen Erzeugnisse der einstigen Beherrscherin dieser Küste - der