hatte. Wir sind damit auf der Höhe der Situation und können das ganze
Gebiet der Orriamentik des 16. Jahrhunderts nach seiner Entwickelung,
von den aufsteigenden Anfängen bis zur vollendeten Barocke überschauen.
Als rechten Centralpunkt, in welchem alle Elemente des neuen Stiles zur
Erscheinung kommen, dürfen wir jenes originelle Werk bezeichnen,
welches 1551 anonym in Nürnberg gedruckt wurde und wegen seines
vorwiegenden Inhaltes den Namen Kraterographie, Gefäßlehre, verdient.
Schon der Ziertitel ist charakteristisch: oben in einem Halbkreise Jupiter
auf seinem Adler in Wolken, und ein Stück des Thierkreises, links der
Sturz des Phaäton, unten eine Landschaft am Meeresgestade; die übrigen
Theile des Blattes sind mit höchst phantastischen Thieren geschmückt.
Und nun folgen acht Blätter wieder mit Vorlagen für Trinkgefäße, Krüge,
Vasen und Leuchter. alle für Goldschmiedearbeit in reichster Art, so dass
man nur einen Wenzel Jamnitzer, den berühmtesten deutschen Gold-
schmied des r6. Jahrhunderts für den anonymen Autor dieses Werkes
erachten wollte. Das ist aber ganz unhaltbar, vielmehr ist nicht mehr daran
zu zweifeln, dass wir es mit Arbeiten des Mathias Zündt zu thun haben,
welcher 1553 eine Suite von zwölf brochenartigen Goldschmiedearbeiten
veröffentlichte und uns in diesen ebenso wie in seiner Zeichnung einer
Dolchscheide den Stilunterschied gegen ähnliche Blätter von Aldegrever
und Genossen augenfällig macht.
Und was von Zündt. das gilt von der ganzen Reibe von Ornamen-
tisten, welche in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Vorder-
grund treten, von Jost Amman, Franz Brun, Peter Flötner, Matth.
Beytler, Augustin Hirschvogel, Lautensack, Georg Wechter, Peter Weinher,
Wilborn u. s. w. u. s. w. Die große Zahl der neuen Meister macht es
mir unmöglich, deren biographische Skizzen vorzuführen und zudem
drängt die Zeit, mich ganz und gar auf die Besprechung des noch über-
reichen stofllichen Vorrathes zu beschränken. Ueber denselben eine
genügende Uebersicht zu verschaffen, ist wahrlich keine Kleinigkeit,
wenn man bedenkt, dass die Blätter der sogenannten Kleinmeister in
der Kupferstichsammlung der Hofbibliothek zwölf Foliobände füllen,
ihre Gesammtzahl also gewiss auf mehrere Tausend anzuschlagen ist.
Da heißt es in großen Zügen und gruppenweise vorgehen; jedoch zweifle
ich nicht daran, mit Hilfe einiger besonderer Merkmale die Entwicke-
lungsgeschichte des deutschen Renaissance-Ornamentes klarlegen und
zugleich einige Anhaltspunkte für die Altersbestimmung von Kunst-
objecten, an welchen solches Ornament vorkommt, liefern zu können.
Für die erste Generation der Ornarnentisten des 16. Jahrhunderts,
also von etwa 1520 bis 1550, kommen hauptsächlich fast nur zwei
Motive in Betracht: l. die menschliche Gestalt, als das vornehmste Or-
nament, und 2. das Blattwerk.
Bei allen jenen Meistern, von welchen ich zuerst gesprochen habe,
bei den Beham, Altdorfer, Aldegrever, Binck und Pencz finden wir ganz