MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 3)

 
 
 
diesen Bildern in größerer Zahl begegnen kann, wird 
man sich ihrer Schwächen klar bewußt: so zum Beispiel 
auf der „documenta ll". Dort ermüdeten sie, ließen sie 
ihre Schwächen klar erkennen: Erfindungsarmut, Ein- 
tönigkeit des Stofflichcn und der Farbgebung sowie eine 
Blässe, die vor allem dann hervorlrat, wenn man sie 
mit anderen Bildern verglich, denen die Form noch nicht 
verlorengegangen ist und die doch zumindest denselben 
Hauch von Poesie, Abgelöstsein vom Irdisch-schweren 
und Verdichteten ausatmen, wie jene, ohne diesen Ge- 
winn durch einen Verlust an Bildwirkung und Substanz 
bezahlen zu müssen. Bei solchen Gegenüberstellungen 
wird deutlich, daß die informelle Malerei trotz des Po- 
sitiven und Fortschreitenden, das sie unleugbar erreichte, 
vor der zuchtvolleren, gemäfligteren Malweise und der 
gesehlosseneren Form der Konservativeren an Wirksam- 
keit und Kraft der Aussage verliert. Die Technik des 
dropping bei Pollock oder des Strichelns bei Riopelle 
wird zum Tapetcnmustcr, wenn man ihre Bilder dem 
klaren, fast klassischen Aufbau bei de Staäl entgegenhiilt, 
wenn man gelungene Abbreviaturen und Ganzheiten von 
Ubac, Afro, Soulages, Manessier, Hofmann, Murtii: oder 
auch Moreni dagegcnhillt, die aber, und diese Feststel- 
lung ist immerhin wichtig und interessant, zum Teil von 
den action-painting gelernt haben oder diese Art der 
Malerei direkt beeinflussen. Unsere Abbildungen von 
Werken Afrös, Hofmanns, Manessiers und de Staäls sind 
dafür nur ein notdürftigcr Beweis, aber sie eignen sich 
weitaus besser für eine Wiedergabe als die einer 
schwarz-weiß-Reproduktion kaum zugänglichen Bilder 
reiner Tachisten. Bei den vergleichsweise „Konserva- 
tiven" verleben wir den Substanzverlust, den die anderen 
kaum vermeiden können, noch nicht, bei ihnen wird 
noch kontrolliert, abgewogen, ergänzt und geformt; sie 
lassen sich nicht treiben und sind mit ihren besten Bil- 
dern wohl doch die wahren Fortschreitenden und Zu- 
kunftsreichen der modernen Malerei, wenn sie sich auch 
weniger genial gebärden. 
Einer der Hauptakteure, um dessen ernsthaften Sinn man 
sich streitet, ist Georges Mathieu, der „abendländische 
Kalligraph", wie Mnlraux ihn nannte. Man kommt ihm 
nicht nahe und tut ihm vor allem unrecht, wenn man ein 
zirkusmiißiges Zurschaustellen mit dem Wert seiner 
Malerei verknüpft. Er war schon ein guter Maler, bevor 
er der einzige wurde, der „den Begriff der Schnelligkeit 
in die Malerei des Abendlandes einführte", und sich 
dabei auf die Japaner berief. Seine Art zu malen und 
über die Ergebnisse dieser Malerei nachzudenken, wirft, 
wie uns scheinen will, ein bezeichnendes und zugleich 
gerechtes Licht auf die gesamte informelle Malerei. Ma- 
thieus Leitmotiv ist ein Wort des heiligen Johannes: „Um 
zu einem Ziel zu gelangen, das du nicht kennst, nimm 
den Weg, den du nicht kennst." Die informellen sind die 
Entdeckungsreisenden unserer Zeit, in einer Welt, in der 
sonst alles entdeckt und eingeordnet zu sein scheint. 
Damit erfüllen sie unabhängig davon, was ihren Bemü- 
hungen entspringt, eine wichtige und auch weittragende 
Mission. Ihr Wollen ist echt und wahr und eines Tages 
wird man von ihnen vielleicht das und mehr erwarten 
können, was wir in der Malerei der oben zitierten Künst- 
ler in einer anderen Weise bereits besitzen. Man muß 
diese Malerei als ein Durchgangsstadium, als einen Läu- 
terungsprozeß ansehen, der doch mehr Anerkennung und 
Beifall verdient, als das Austreten eingefahrener Wege. 
Was diese Maler zu erreichen versuchen, ist die „Duali- 
tät von Disziplin und Spontaneität; diese Dialektik von 
Entscheidung und Betrachtung ist im Grunde eines der 
Kriterien der Kunstwerke aller Zeiten". Dies ist ein Mo- 
tiv, das grundsätzlich für die Informellen spricht, wenn 
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