diesen Bildern in größerer Zahl begegnen kann, wird
man sich ihrer Schwächen klar bewußt: so zum Beispiel
auf der „documenta ll". Dort ermüdeten sie, ließen sie
ihre Schwächen klar erkennen: Erfindungsarmut, Ein-
tönigkeit des Stofflichcn und der Farbgebung sowie eine
Blässe, die vor allem dann hervorlrat, wenn man sie
mit anderen Bildern verglich, denen die Form noch nicht
verlorengegangen ist und die doch zumindest denselben
Hauch von Poesie, Abgelöstsein vom Irdisch-schweren
und Verdichteten ausatmen, wie jene, ohne diesen Ge-
winn durch einen Verlust an Bildwirkung und Substanz
bezahlen zu müssen. Bei solchen Gegenüberstellungen
wird deutlich, daß die informelle Malerei trotz des Po-
sitiven und Fortschreitenden, das sie unleugbar erreichte,
vor der zuchtvolleren, gemäfligteren Malweise und der
gesehlosseneren Form der Konservativeren an Wirksam-
keit und Kraft der Aussage verliert. Die Technik des
dropping bei Pollock oder des Strichelns bei Riopelle
wird zum Tapetcnmustcr, wenn man ihre Bilder dem
klaren, fast klassischen Aufbau bei de Staäl entgegenhiilt,
wenn man gelungene Abbreviaturen und Ganzheiten von
Ubac, Afro, Soulages, Manessier, Hofmann, Murtii: oder
auch Moreni dagegcnhillt, die aber, und diese Feststel-
lung ist immerhin wichtig und interessant, zum Teil von
den action-painting gelernt haben oder diese Art der
Malerei direkt beeinflussen. Unsere Abbildungen von
Werken Afrös, Hofmanns, Manessiers und de Staäls sind
dafür nur ein notdürftigcr Beweis, aber sie eignen sich
weitaus besser für eine Wiedergabe als die einer
schwarz-weiß-Reproduktion kaum zugänglichen Bilder
reiner Tachisten. Bei den vergleichsweise „Konserva-
tiven" verleben wir den Substanzverlust, den die anderen
kaum vermeiden können, noch nicht, bei ihnen wird
noch kontrolliert, abgewogen, ergänzt und geformt; sie
lassen sich nicht treiben und sind mit ihren besten Bil-
dern wohl doch die wahren Fortschreitenden und Zu-
kunftsreichen der modernen Malerei, wenn sie sich auch
weniger genial gebärden.
Einer der Hauptakteure, um dessen ernsthaften Sinn man
sich streitet, ist Georges Mathieu, der „abendländische
Kalligraph", wie Mnlraux ihn nannte. Man kommt ihm
nicht nahe und tut ihm vor allem unrecht, wenn man ein
zirkusmiißiges Zurschaustellen mit dem Wert seiner
Malerei verknüpft. Er war schon ein guter Maler, bevor
er der einzige wurde, der „den Begriff der Schnelligkeit
in die Malerei des Abendlandes einführte", und sich
dabei auf die Japaner berief. Seine Art zu malen und
über die Ergebnisse dieser Malerei nachzudenken, wirft,
wie uns scheinen will, ein bezeichnendes und zugleich
gerechtes Licht auf die gesamte informelle Malerei. Ma-
thieus Leitmotiv ist ein Wort des heiligen Johannes: „Um
zu einem Ziel zu gelangen, das du nicht kennst, nimm
den Weg, den du nicht kennst." Die informellen sind die
Entdeckungsreisenden unserer Zeit, in einer Welt, in der
sonst alles entdeckt und eingeordnet zu sein scheint.
Damit erfüllen sie unabhängig davon, was ihren Bemü-
hungen entspringt, eine wichtige und auch weittragende
Mission. Ihr Wollen ist echt und wahr und eines Tages
wird man von ihnen vielleicht das und mehr erwarten
können, was wir in der Malerei der oben zitierten Künst-
ler in einer anderen Weise bereits besitzen. Man muß
diese Malerei als ein Durchgangsstadium, als einen Läu-
terungsprozeß ansehen, der doch mehr Anerkennung und
Beifall verdient, als das Austreten eingefahrener Wege.
Was diese Maler zu erreichen versuchen, ist die „Duali-
tät von Disziplin und Spontaneität; diese Dialektik von
Entscheidung und Betrachtung ist im Grunde eines der
Kriterien der Kunstwerke aller Zeiten". Dies ist ein Mo-
tiv, das grundsätzlich für die Informellen spricht, wenn
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