Fritz judtrnann
Seit Anfang des 19. jahrhunderts wurden vom
Obersthofmcisteramt des kaiserlichen Hofes in
Wien die Titel „k. k. Hoflieferant" und „k. k.
Kamrnerliefterant" - ab 1889 k. u. k. - ohne Ein-
hebung einer Taxe verliehen, bis im jahre 1877
der damalige 1. Obersthofmeister St. Majestät des
Kaisers Franz Joseph l., k. k. wirklicher geheimer
Rat und Kämmerer Feldmarschall-Leutnant Con-
stantin Prinz zu Hohenlohe-Sthillingjürrt, am 16. Mai
des Jahres 1877 „treugehorranut einen allerunter-
thänlguen Vortrag betrefend die Einführung einer Taxe
für die Verleihung de: Hqftilelr" hielt, der für das
im jahre 1864 gegründete Kunugenlerbernuutim von
größter Bedeutung War!
Der dem Kaiser in der althergebrachten schrift-
lichen Form vorgelegte Vortrag hat folgenden
Wortlaut:
Allergnädigster Herr!
Mit Beziehung auf die mir von Euerer Majestät
mündlich ertheilte allergnädigste Ermächtigung
erlaube ich mir nunmehr, da die erforderlichen
Vereinbarungen mit den betheiligtcn Ministerien
getroffen sind, meinen allerunterthänigsten An-
trag auf Einführung einer Taxe für die Verleihung
des Hoftitels ehrfurchtsvoll einzubringen.
Wie ich Euerer Majestät bereits mündlich aller-
unterthänigst vorgetragen habe, soll mit der be-
absichtigtcn Einführung einerseits der in letzter
Zeit beträchtlich gestiegene Andrang von Be-
werbern um den Hoftitel eingeschränkt, anderseits
die heimische Industrie, und zwar zunärhrt, durrh
Vermittlung der Kumtgewerberehule, da: Kumtgewerbe,
nlelrhe: vor allern der Hilfe bedarf, unterrtützt irerden.
lch habe demnach im Einvernehmen mit dem
Minister für Cultus und Unterricht, welchem die
Kunstgewerbeschule untersteht, und mit dem
ungarischen Ministerium, in Ansehung der Hof-
titel-Bewerber aus Ungarn, das nachstehende
Regulativ entworfen, und erlaube mir dasselbe
der allerunterthänigsten Genehmigung zu unter-
breiten.
1.) Für die Verleihung des Hoftitels wird eine
'l'axe eingehoben.
2.) Die Taxe beträgt zweihundertfünfzig Gulden,
gleichgiltig, ob die Verleihung an einen
Einzelnen, oder an mehrere Theilhaber einer
Gesellschaftsfirma erfolgt. Für die Verleihung
an einen neu eintretenden Gesellschafter, auf
welchen der Hoftitel ausgedehnt werden
will, ist der halbe Taxbetrag zu entrichten.
3.) Von Seiten der Bewerber von den im Reichs-
rathe vertretenen Königreichen und Ländern,
oder aus dem Auslande sind, sobald ihnen
die Geneigtheit, ihrem Gesuche zu will-
fahren, intimiert sein wird, die Taxbetrage bei
der Direktion de: önterreiehinrhen MuJ-eurn: für
Kunlt und Indwtrie einznzahlen.
4.) Die:e Taxen :ind zunäihn der Hebung de: Kann-
geiverbe: gewidmet in der Art, daß den Xehülern
der Kunrtgenlerberehule in Wien narh Maßgabe der
eingehenden Beträge und rnit Rüekricht auf die
Intereuen gewerblieher Entwirkhmg Butellurigen
zugehen werden.
5.) Die Direktion de: änerreielriurben Mumien: wird
diufall: aigf Grund eine: von den: Außiehnrathe
der Kumtgewerbeuhule eingeholten Votum: ihre
Anträge an da: Oberrlhofrneüterarnt zu :tellen
haben.
6.) A1: Direktive für diue Anträge hat zu gelten:
a) daß die Aufträge zur Hentellung launrt-
indurtrieller Gegemtände von den reifmn
Xrhülern der Kumtgewerbuehule unter Uitung
ihrer Profenoren aurgeführt werden mümn.
b) daß bei Zutheilung rolrher Auftrage alle Fath-
nhulen und Atelier: der Kumlgewerbeuhule
gleiehrnaßige BerÄekJirhtJgung finden mümen, und
zwar in der Art, daß, fall: in einem jahre die
gemrnte verfügbare Xumrne durtb einen oder
mehrere Arefträge an eine Farhnhule in An-
.rprueh genommen wurde, irn daraujfolgenden
jahre wieder andere Farhnhulen Auftrage zu
erhalten haben.
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DER „l-lOFTITELTAXFONDS" UND DAS KUNSTGEWERBEMUSEUM
Dem Verfasser ist es eine Hcrzcnspllichl, Herrn Staatsarehivar Dr. Hans Wagner und drnr Herrn Kustos Dr. Franz Windisch-
Graelz für die mühevolle Unterstützung der Forschungen 1m Haus-. Hof- und Staatsarchiv und im Museum tllr nngewundtu
Kunst den verbindlichsttn Dank auszusprechen.
c) daß die Aufgaben rnil Rürkrirhl eineruit: auf die
Hiihe de: verfügbaren Geldbetrageganderuril: auf
die jeweiligen Beditrfnime der Kunttindtertrie und
die Intere::en der Kumtgvwerbeuhule gewählt zuer-
den nuiuen.
7.) Die mlrherarl erzeugten Gegeurtände haben die
Berlirnrnung, bfentlieben Kunrtanrtaltezi, Admeezi
oder Xehulen zum Geuhenk gemacht, oder :vn:t
zum Vortheile der lndurtrie verwendet zu ußerden,
in welcher Hintirht dern Obenthofrneüterarnte da:
au::rbließ'lirhe V erfügungueeht ziuteht.
8.) Dern Obenthofmeinerarnle bleibt e: aurh vorbe-
halten, die jeweilig verfügbaren Mittel ganz oder
theiluleire zu Auftragen an andere, außerhalb der
Kunrtgezverbenhule :tehende Indmtrielle, unter U -
rtänden aurh zu Geldunterrtützungen an mlrhe, zu
Reirertipendien und dergleiehen zu verwenden.
9.) Was die von Bewerbern aus den zur ungari-
schen Krone gehörigen Ländern eingehenden
Taxen anbelangt, so sind diese bei dem
Präsidium des ungarischen Handelsministe-
riums in Budapest cinzuzahlen und nach
dessen Ermessen für das dortige Gewerbe-
museum zu verwenden.
10.) Nur in ganz besonderen Fällen und mit aus-
drücklicher allerhöchster Ermächtigung kann
eine Verleihung des Hoftitels mit Nachsicht
der Taxen erfolgen.
indem ich das Einverständnis der genannten
Ministerien, zu der beabsichtigten Maßregel er-
weisenden Schriftstücke ehrerbietigst vorlcge,
erlaube ich mir zu bemerken, daß im Falle der
allergnädigsten Genehmigung meiner Anträge
durch Euere Majestät die Einführung von Taxen
für den Hoftitel sofort ins Leben zu treten hätte
und das Regulativ in angemessener Weise zu
veröffentlichen wäre.
lrlohenlohe
Fmlt.
Bereits am 19. Mai 1877 setzt der Kaiser seine
Unterschrift unter die auf der letzten Seite des
Vortrages durch einen Schreiber eingetragene
„Allerhöehtte Enlnhliefiung" mit folgendem Wort-
laut:
„leh genebmige die Einführung von Taxen für die
Verleihung de: Hoftitel: und da: dafiir beantragte
Regulativ."
Wien, arn 19. Mai 1877 Franz Joseph
lm Akt des Obersthofmeisteramtes (Haus-, llof-
und Staatsarchiv, Archiv des Obersthofmeister-
amtes, Sonderreihe, Signatur: OMeA, SR 12]6-
1877) liegt der vielfach geänderte und gestrichene
Entwurf für den a. u. Vortrag und das Regulativ,
der eingangs eine ausführliche und sehr bemerkens-
werte Begründung der geplanten Maßregel ent-
hält, die jedoch nicht in den Vortrag aufgenommen
wurde, hiemit aber dem Dunkel des Archives ent-
rissen werden soll.
„Die bekannte Nothlage der lndmtrie, der es nament-
lich an Bestellungen und Aufträgen gebricht, und
der Wunsch in dieser Richtung, auch von Seite
des a. h. Hofes, zu Hilfe zu kommen, haben die
Idee angeregt, die Verleihung der Hoftitel rnil 'l'a.ven
zu belegen und die:e der Forderung indrutrieller lntereneu
zu nlidrnen.
Abgesehen von den damit verbundenen gemein-
nützigen Zwecke dürfte sich die Einführung von
Taxen für den ldoftitel auch als ein vielleicht ganz
geeignetes Correctiv empfehlen, um die in letzter
Zeit ganz außerordentlich vermehrten Bewerbun-
gen um diese Auszeichnung einigermaßen einzu-
dämmen. Diese Nebenabsicht involviert, daß an
den Erfolg der geplanten Maßregel in der erst-
erwähnten Hinsicht keine übcrspanntcn Erwar-
tungen geknüpft werden.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß der gemein-
nützige Zweck den Anstoß gibt, dem Fond
freiwillige Spenden zufließen zu lassen und ihn
in ausgiebiger Weise wirksam zu gestalten. Die
eingehenden Taxen allein aber werden bei der
großen Vorsicht und Rigorosität, welche bei der
Verleihung des Hoftitels nach wie vor walten
wird, eine bescheidene Höhe niemals übersteigen.
Dorh auch mit {Venigcm kann tniter l Vzutanden geniilzt
werden.
Das bedingt aber, daß die Wirksamkeit des Fonds
nicht zu weit ausgedehnt, nicht etwa daran gedacht
werde, der Industrie im großen und ganzen
hilfreich unter die Arme greifen zu wollen, sondern
vielmehr, daß dieselbe auf dasjenige industrielle
Gebiet beschränkt werde, welches vor allem der
Hilfe bedarf. Da: i:l da: Kunttgeiverbe. Dierc: Gebiet,
auf dem in den letzten fahren die überranhendtten und
erfrrulirhuen Fortuhritte gvntaeht wurden, i:t mehr al:
ein andere: auf den Luxw: angeniiereei, der die Auftrage
gibt, nirhl auf da: Beddrfni: und darum Ihul da vor
allen: Hilfe noth, wenn nirhl die errungenen Fortrehritte
wieder nhuiinden rollen.
Die Kumtgevßerbenhulv i:t errichtet worden, um tüchtige
Arbeiter heranzubildvn; daß ihnen oueh Arbeit ver-
uhajft, daß angehenden begabten Kunuiildiutriellen von
Zeit zu Zeit lehrreirhe Aufgaben gulellt und Gelegenheit
geboten werden könne, ihre luehtigkeit zu erproben und
die erworbenen KEIlIlltIlJJ8 zu veriverthen, dazu :vll der
beabuehtigle Fand beitragen."
Der [Jirektor de: olrterr. Muteunt: für Kunrt und
Indmtrie, R. v. Eitelberger, beeilt sich, in einem
Schreiben vom 26. Mai 1877 dem Obersthof-
tneister seinen Dank auszusprechen.
Euer Durchlaucht
erlaube ich mir persönlich den ergebensten Dank
auszusprechen für die Zuweisung der für die
Verleihung des leloftitels einkommenden Taxen zu
Guruten begabter Aehiiler der Kunngenrrrberrbule de:
änerr. liluxeunn. Da dieJe fa:l atmehließliih Xähire
von minderbemittelten Gewerbetreibender: :ind, junge
Leute, wrlehe tirh awrhirken, in da: praktilrvhe kun:t-
geuierblirhe l .eben einzutreten, :o werden Jvlehe Aufträge
eine wahre Wohltat rein. Da die Arbeiten nlbrt unter
der Aufrieht der Profemoren amgefiihrt werden, :o i:t
wohl kein Zweifel, daß dietelberl gut amgefiihrt und auch
den Wünrthetz Euer Dnrrhlanrhl entrpreebeix werden.
Irb zverdu nicht verfehlen umeren Herrn Protektor,
d'r. Kai:. Hoheit dem durthlauehtignen Erzherzog Rainer
gleirh naeb xeilzer Ankunft in Wien, von die:er Verfügung
in Kennlni: zu :etzerl.
Indern ich zugleich die nöthigen Maßregeln zur
Durchführung des hohen Auftrages ergreife,
zeichne ich mit dem Ausdruck tiefster Verehrung
Euer Durchlaucht
ergebenster R. v. Eitelberger
Direktor
Bereits am 19. juni 1877 teilt Direktor Eitclberger
dem Ohersthofmeistcr mit, daß in den vier Wochen
seit Veröffentlichung der Taxpflieht von 1B Finnen
je 250 und von 4 Finnen je 125 Gulden, ziuarnrnen
alro 5000 Gulden einbezahlt wurden und beantragt,
„nach Einholung der Wohlmeinung des Auf-
sichtsrathcs der Kunstgewerbeschule", folgende
Zuwendungen für die Ausführung von kunst-
gewerblichen Gegenständen:
1.) Einen Kun:t:ehrank, auszuführen von dem
Professor A. Beyer und den Züglingen Georg
Sturm und Anton Älichel, Kostenüberschlag
1200 Gulden.
2.) Einen Haumltar im Xtjle der deutnhen Renaimanee,
auszuführen von dem Professor Herdtle,
Michael Rieser und Friedrich Sturm, bezie-
hungsweise unter deren Leitung, Kostenüber-
schlag 1800 Gulden.
3.) Eine Bronzeuhr und zwei Girandolen, auszuführen
von dem Assistenten Stefan Schwarz, Kosten-
überschlag 1600 Gulden.
Hier sci erwähnt, daß der an erster Stelle genannte
Kmutrrhrank (Abb. 2) mit der Inventarniemrner H
( I Holz) 537 und die Bronzeuhr (Abb. 1) rnit der
Invenlarnurnrner Bronze 555 beute nach irn Mureurn
vorhanden :ind und als erste Objekte der langen
Reihe der Fondsaufträge einen Ehrenplatz in der