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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIX (1974 / Heft 135)

Bezeichnung „Abstraction Creation" im Jahre 
1931, gerade als Thöny in Paris ankam, wurde 
anfangs kaum beachtet. Man lobte wieder die 
Treue zur Natur, Geschmack und regelmäßige 
Schönheit, man suchte eine neue Harmonie zwi- 
schen Mensch und Natur. In der Galerie BilIiet- 
Worms stellte Heraut sechs Künstler vor, unter 
denen Robert Humblot und Georges Rohner be- 
sonderes Ansehen hatten. Man sprach von „For- 
ces Nouvelles" und fühlte sich durchaus als 
Avantgarde und korrektiv zu den Experimenten 
der vorausgegangenen Jahrzehnte. Ältere Mei- 
ster wie Henri Manguin, Charles Camoin und 
Raoul Dufy beherrschten mit ihrem delikaten 
Kolorismus die meisten Galerien. Inmitten dieser 
widersprechenden Tendenzen bezog Wilhelm 
Thöny seine eigene iPosition, obwohl seinem neu- 
gierigen und beweglichen Geist nichts auf dieser 
betriebsamen Messe der Aktualitäten entging. 
Doch beschränkte er, der ehemals so gesellige 
und unternehmende Vorturner aller intellektuel- 
ler Riegen in seiner Vaterstadt Graz, seine Kon- 
takte nunmehr nur auf wenige Künstler und Kri- 
tiker, die ihm gleichgestimmt erschienen. 
Obwohl Thöny im gleidten Jahrzehnt wie alle 
prominenten Kubisten geboren war und im Cafe 
Flore das schönste Porträt zeichnete, das iemals 
von Picasso gemacht wurde, fühlte er sich offen- 
kundig der iüngeren Generation um die „Fcrces 
NouvelIes" mit ihren Reaktionen aiuf die Gewalt- 
tätigkeiten der abstrakten Richtungen enger ver- 
bunden. Am ehesten steht er mit seiner künstle- 
rischen Gesinnung in der Nähe Robert Lotirons, 
eines fast gleid-ialtrigen Künstlers, der ebenfalls 
ein hervorragender Graphiker war und mit 
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Thöny die Vorliebe für Ansichten der Seine-Ufer 
und Landschaften aus der lle-de-France teilte. 
Auch die Unmittelbarkeit und Sinnenfreude eines 
Jean Puy oder Charles Camoin dürften Thöny 
von vielen Grübeleien seines ursprünglich so 
tragisch gestimmten Wesens befreit haben. Die 
Kritik, die für die Grazer Zeit einen bestimmen- 
den Einfluß Munchs vermutet, ist auch für Paris 
mit bewährter Beflissenheit zur Stelle und zitiert 
genießerisdi Raoul Dufy, dem Thöny tatsächlich 
persönlidi nöherstand. Auch hier ist der Unter- 
schied in der Verfahrensweise evident. Dufy 
zeichnet in die Farbe hinein und über die Farbe 
hinweg, Thöny aber zeichnet mit der Farbe. Dufy 
setzt das Motiv auf breit vorgetragene farbige 
Flädien, Thöny baut es aus farbigen Punkten 
und Stridien auf. So entstehen die fein rhythmi- 
sierten Pariser Stadtansichten mit den Türmen 
von Nötre-Dame in einer unbeschreiblich prik- 
kelnden Atmosphäre, die vielleicht nur bei dem 
Italiener Filippo De Pisis etwas Gleichwertiges in 
der Kunst jener Jahre gelingen ließ. Die Land- 
schaften aus Sanary-sur-Mer, wo damals auch 
Moise Kisling weilte, gehören zu den schönsten 
und freiesten Darstellungen, die der Süden 
Frankreichs iemals einem Maler abgefordert hat. 
Die Troubadoure des „Süßen Frankreichs" und 
Lobsänger der „Jois de vivre" waren für Wilhelm 
Thäny freundliche Gefährten in dem Jahrzehnt 
der aufkommenden Weltangst. Er selbst aber 
war in seinem künstlerischen Konzept kü-hner als 
die meisten von ihnen. Im Jahre 1938 erzwungen 
die Zeitumstönde seine Übersiedlung nach Ame- 
rika. Er hatte die Neue Welt schon früher ken- 
nengelernt. Aus dieser Erinnerung malte er in 
4 Wilhelm Thöny, Paris, Esplonade des lnvalides, 
1931-1938. Aquarell 
5 xVilhelm Thöny, Sanary-sur-Mer, 1934-1937. Ull 
apier 
6 Wilhelm Thöny, Paris, lle de la cite, 1931-1938. 
Aquarell
	        
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