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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVIII (1983 / Heft 190 und 191)

herrenhäusern zeigt Pilgrams Plan sozusagen ei- 
Jacer Vatikan. Von der Kathedraltassade ausge- 
sollten sich auf der neugewonnenen Anhöhe ge- 
lie Donau zu, so umfassend wie Berninis K0lonna- 
Arkaden öffnen, die auf die vorbeiführende Haupt- 
e nach Pest und Ofen führten. Von der zu einem 
ovalgeweitetenStraßesollte nachdemEhrenplatz 
zum Flußufer hin ein französischer Formalgarten 
n. 
hase zwischen den forcierten Fundamentierungs- 
ten Karl Esterhazys 1760 und dem Regierungsan- 
ligazzis imJuni 1762 ist recht undurchsichtig.Ver- 
lerlich ist die recht selbstverständliche Behand- 
dieses Wechsels in der detaillierten Sekundärlite- 
- ist es doch merkwürdig, daß Migazzi als eine 
irersten Handlungen am 20. Juni 1762 den Grund- 
zum Bau des Domes segnete, während der schei- 
e Esterhazy knapp einen Monat vorher die nämli- 
Zeremonie vorgenommen hatte. Migazzi führte 
den begonnenen Bau fort, demonstrierte jedoch 
i Neubeginn zum Antritt seiner Regierung. Nach- 
ich konnte er schon mangels der Pläne Pilgrams 
sterhazy nach Eger mitnahm) die Auslührung des 
rnehmens in seiner ursprünglichen Form nicht be- 
htigen -doch mochte erdadurch umso entschie- 
r auf den Grundmauern seine eigenen Vorstellun- 
iit den Stiimöglichkeiten seines Architekten Cane- 
in Verknappung der Pläne Esterhazys formulie- 
Über den Seltenportalen im Eingangsgeschoß 
ürme ließ Migazzi außer dem Vollendungsdatum 
FECIT A MDCCLXXVIIri auch irlNCOEPlT A 
CLXltteinmeißelnein Datum. das nurautMigazzis 
inung zum Administrator Waitzens Bezug hat. 
rücklich betont er in seiner riHomiliak zum Ab- 
ß der Einweihungsfeierlichkeiten des Domes am 
JgLlSl 1772, daßder Herr ihn den Bau beginnen und 
iden ließ und Gott ihn würdig gemacht habe, ihm 
aus von Grund auf erbauen zu dürfen, und so den 
zern einen Ort bestimmt habe, seinen heiligen Na- 
anzurufen?" Auch im Elogium zu Migazzis Able- 
on Ciani. einem Kanoniker in Waitzen, heißt es in 
iung der festen, beständigen Begründetheit von 
zzis Dom, erhabe einen ungeheuren Sumpfausge- 
net und sodann die Kirche der Diözese irvoll romi- 
Majestätrt aufgerichtet. Schon Korabinsky 
iibt 1786: iiDie neue Domkirche erhielt ebenfalls 
n Prospekt aufs Wasser. Die Sümpie wurden auf 
Platze ausgetroknet. und das Wasser abgeleitet. 
irche selbst ist im römischen Geschmack gebauet 
in Meisterstück der Kunst... Vorbeyfahrende se- 
ie von weitem, und erquicken sich durch ihren An- 
auf der Wasserreiseir" 
Erhabenheitii dieser rimajestas romanak ist mehr- 
antikischen Latin . die - wie am Triumphbogen - 
als durchgeklärtes ldealbild würdevoller Simplizität in 
Form und Dekor gleichermaßen in der Reflexion 
Winokelmanns und seines Umkreises im 1B. Jahrhun- 
dert wie auch für den französischen Barockklassizis- 
mus essentiell war. Dieser hrömische Stilii entsprach 
als zeitgemäß-zeitloser Inbegriff der Einstellung von 
Bauherren wie Karl Esterhazy und Migazzi." Die ande- 
re Idee des riRömischenu weist hingegen auf eine Vor- 
bildlichkeitder Kirche. die Esterhazy über der Donau er- 
stehen lassen wollte. Beredtes Zeugnis ist ein Stich mit 
Migazzis Porträt (Abb. 4). DerSteinsockel, auf dem der 
hochovale Bildnisrahmen steht, zeigtden Petersplatz in 
Rom. Davor entrollt ein Knabe in Art eines Genius über 
einem korinthischen Kapitell die Ansicht derWaitzener 
Domfassade." Der typologische Verweis rutt die "Be- 
deutungii von St. Peter in Rom mittels seiner architekto- 
nischen Erscheinung als Vorbildlichkeit auf. weil die 
grundlegende vmajestas romanaii der Kirche mit der 
irstructura romanatr übernommen wurde. Denn in dieser 
doppelten Hinsicht kann und soll die Architektur des 
Waitzener Doms mit St. Peter als dessen stilistische 
Komprimierung in römischer Einfachheit iielementarii 
verbunden werden. Damit wird ein Abbildungsphäno- 
men erkennbar. das ähnlich strukturiert ist wie das Ver- 
haltnis des Waitzener Trlumphtores zu den römischen 
Urbildern: in der Reduzierung durch Projektion wird ei- 
ne riAusdrücklichkeitii dargestellt. die der reinen Idee 
zukommt. Hierin Iiegtdie rtperfekteit Annäherung, selbst 
oder gerade wenn die äußere Ähnlichkeit nur noch ei- 
nen entfernten Anschein hat. Dies sind Spezifica eines 
Frühklassizismus, die im Anhauch des revolutionären 
Klassizismus und seiner - vom Barock her gesehenen 
- Entkdrperung des organischen Verbandes entste- 
hen können. In welcher dialektischen Qualität sich an- 
dererseits dessen unbedingte Grundkörper massiv for- 
men, wurde oftmals eindringlich beschrieben. 
Unter dieser Maßgabe wird man nochmals auf das be- 
reits angesprochene Verbinden in iiSyntheseti des Ba- 
rockshinwelsenmüssen, indermodifiziertevorbildlich- 
ketten als Reichtum der Bedeutsamkeit integriert wer- 
den. so wie in der Wiener Karlskirche. Diese Fähigkeit. 
allerdings in nsyntheiisch-kombinatorischerir Reduk- 
tion, zeigtsich bei derWaitzener Kathedrale als barock- 
klassizistisches Erbe bei Bestimmung ihres ZentraImo- 
tivs, der ungewöhnlich rhythmisierten Vorhalle. Vor al- 
lem sie stellt in ihrem synkopischen Auseinandertreten 
die entscheidende Raumweitung dar, die die ganze fla- 
chige Abgeschlossenheit öffnet, um sich schließlich 
zum Schlußakkord der Wandsaulen im Altarraum zu 
verdichten. Formal wird man dieses rhythmische Motiv 
von den fünf Mittelachsen der Front von St. Peter ablei- 
ten. deren drei vorspringende Zentralachsen durch den 
 
 
Wes eh. ranz n oh Maulbertsch, 1770171 
9 Vac, Kathedrale, Nordseite 
10 Schlüsselübergabe an Petrus. Stuckrelief über dem I- 
portal der Kathedrale in Vac 
 
Anmerkungen 32 - 37 (Anm. 29 - 31 s. Text S. 19. Anm. 3 
s. S. 22) 
"f Zum iirbmischcnir Klassizismus Karl Esterhalys vgl. Anm. 27 L 
Mlgalll war ein passicnierter sammier rarriischer Antiken (insl 
dereausderUmgebungidieden schrnuckseirierganzaisirust 
gedachten Mtgazliburg bildeteivgl Wolfsgruber. wiennmao, s 
Der Weg Zu dieser i-Villal mit prachivolierAussicht auf die Don 
die Ruinen von Visegrads Renaissance-Residenz Iuhne Iit: 
durch das Triumphbogendenkmal. Offenbar schon kurz nach 
seiner zweiten Regierung in Waitzen suchte Migazzi Winckelmi 
Gesellschatierzu gewinnen. was nichtzuletzt fur die gleichleiti 
ientionen seiner Bauvorhaben bemerkenswert ist. Der Brief W 
manns, worin er einem Freund davon berichtet. ist vom 20. 2 
(Johann winckeimanns samtliche Werke, hrsg. v. Joseph Ei 
1825-29. Bd 1U,263fJ Auch MarlaTheresiasahim vRdrriischi 
simpiizität i. . . fort simple tout sur Ie gdut rornalnn im Brief VQl 
1765bezugiich des Waitzener Trlumphtores als Vdrbildfilir die G 
Iige Gestaltung der lnnsbruckerTriumphpforteQswaldTrapo,I 
schichte der lnnsbrucker rriurriptipidrie, in; Osterr. zeitscti 
Kunst und Denkmalpflege 1959, S. G7). -Als beispielhafte Fol 
der iiinnercnii Größe iirümlscfleru Simpl tät darf die im Auftrag 
Zls177Bl8Dln Wiener NeudorferbauteKirche Maria Schneegett 
tBUl als iiniedlichnbezeichnetwurde und hinsichtlich ndern Mus 
rdrnischer Structurair rur exemplarisch erachtet wurde. (i. Bibo 
palsche Einflüsse und lokale Entwicklung in der ungarischen Ari 
tur urn1BOO,in.Acta Hist Art. Hung Bd 18, 1972. S 282). 
11 Ein Exemplar des kuplerstichs (Oktavtormat, beschnitten) bt 
sich irri Tiroier Landesmuseum Ferdrnandeurn im Sarnrnelbar 
1372. Bl.291. DerwertdieserunpublizlertenAnsichtbestehtvo 
darin. daß dre in der zeitgenössischen Literatur allenthalben an 
fende Berufung auf rorrilsche Monumentalitäi nicht eine rhetc 
Wechselrrlunze ist, sondern Kontinuität einer klassischen Rc 
aus der Antike rrielnt, die In der Renaissance rieu geformt t 
18 Jahrhundert als Nachahmungsideal V8rVOllkOrrlmr19tWurd( 
Iern kann und rnuB es hier unentschieden bleiben, ob sich Miga 
diesem Stich die römische Vorbildlichkelt In Esterhäzys Plar 
eigen machte, oder ob er damit die originäre Idee seiner Rom-( 
ken vcrgesteiitwisaan wollte Wesentlicher ist die hier gegebe 
schaulichkeitdeiBerulungaulSliluridldeevoril-Roma magnaei 
riaii Nur so erklärt sich auch das scheinbare Paradox, daß 
irneueaGeschrriackeineitalte Eauarikdarsielltßoruhmi das riW 
sche Diariurnr zur Einweihung des Waitzener Domes. daß Ca 
und Maulbertsch wdiealte Bau- und Mahlart überaus glücklich ni 
ahmt-i hatten (zlt. nach Franz Martin Haberdrtzl: Franz Anton 
bertscri, Wien 1977, S. 298 t.) Fur Maulbertsch wird damiteberil 
ne iiErhabenheitir geschlossenen Konturs postuliert - entspre 
der Kritik Winckelmanns an der barock-mannigfaltigen Ungle 
mlgkeit, in der allgemein "der Schein mehr als das Wesen gei 
wurdet: und sodurch die ausschweifenden hZierrathenir die pKle 
keit in der Baukunst" entstand (J J. Wlnckelmann, Anmerkunge 
die aaukunst der Alten, Leipzig 1752. s. 51 r. und es). 
" Bemerkenswert ist der Gedanke Mansarts. arn invaiidendom di 
von St. Peter ins rikristallirieti zu übersetzen. Auch plante er ZWE 
kreisittrrnige Koldnnaden (vgl. Wilfrled Hansrnann, Baukunst d 
iock, Küln 1978, S. 34 ff). Ganz wesentlich vollzieht sich das Vi 
aufgreifen des itRürniscrienit irrt 15. Jahrhundert rn einer Ruckvi 
lung ausdem französischen Barockkiassizismus des 17 Jh. Doi 
die ragfDßBil Manier an Gegenständen heroischen und stoisci 
halts wieder aui. Vernünftige Darsieilungsgrundsaize bildet! 
klassizistische Korrektiv Frankreichs gegenüber dem römisch 
rock(Ericn Hubsla, Die kunst des 17. Jahrhunderts. Propyläen 
geschichte Bd. 9, Berlin 197D. S. 85). Darauf bezieht sich A. Za' 
Recht, wenn sie bei der Waitzener Fassade iidas Gefühl für Pro; 
und Rhythmus aus dem französischen Klassizismusdesäpatba 
erkennt. das dort mit dem Puritanischen des Fiuhklassrzlsmus 
nem Ausgleich der Kräfte führt (A Zädor, wie Anm 17. S 158: 
H aeidieser auch ikdnpgraphisch tur einen kirchenniann wie Miga 
rrierkenswerten Stiftung einer Universitaiskirctie durch Kardi 
chelieu spricht die isyntak- der den Sorbonne-Hof beherrsch 
Vorhalle ahnlich scharf akzentuiert vor der glatten Mauer. wi 
sich oben die reich gegliederte Kuppel als Resonanzraum wolt 
Ganze kann man als Erinnerung an Michelangelos Projektfür si 
auffassen (Vgl. Hubala, wieAnm 34, S. 247). Verstandlichcrweiß 
bei der Wurdigung VOrI Canevaies uberraschend irrnodernerir a. 
sein Walizen in der Literatur meist auf den Bau von SL-Sulpice 
wiesen, den sein Lehrer Servandoni plante Das entbehrt schi 
der stilistischen Einschätzung her nichtder Pioblematikivgl Anl 
mehr noch aber von der letztlich Fragment gebliebenen Gesai 
fuhrung. Sicher konnte Canevaie in manchen Elementen dar 
knupren so an die Massierung der tragenden sauren zur Kolon 
der Verdoppelung der zentralen sechs saulenstellungen in dir 
(statt in die Breite der Frcntwas schon Lauglerkrltlsierte) hIntE 
gerade durchlaufenden Archilrav, wodurch eine tiefe Raumsc 
rung erzielt wird. ndch von der übereinandergestellten dr 
idnischen sauienprdnung der breit gelagerten Front einmal at 
hen, ist die itir waitzen ganz entscheidende Flhythmlsierung de 
lensteiiurigen ganz anders eingesetzt und hai ein volllg anders 
rialiriis zum Baukdrperbzw den Turmautbauten Auch ieiilcnli 
und Laterne. die am Waitzener Dom architektonisch und ikol 
DhlSCh wesentlich sind. Das charakteristische. gerade abscriiia 
Ealusiradenmotiv. das SL-Sulpice heute Zeigt. entspricht zwar: 
der i-Archiieclure fraricaise: J. F. Blondels veröffentlichten Ei 
(Liv. lll. S. 41), doch rechnete Servandoni nicht mit einer zur Fa 
räumlich-komplementären. aufsteigenden Kuppeltorm, sdnderi 
det (nach anderen Entwurfsvariationen, Abt) 5 bei Heiirriann 
Anm. 16 s mit Stich von 1750 und Flg 309 bei Hautecoeur 
Anm.6- Bd. 3)einerl bekronenden Drelecksglebelvor Alierdiru 
sen einige französische Klrchenbauten dieser Zeit In ihrem E 
schen Barockkiassizlsmus eine allgemeine Vergleichbarkeit a 
nicht genetisch. aber als breiteres stilpriariorrieri (ähnlich wie t: 
Triurnphtoren) tiei Canevales Losung rnitsprechen konrien (irg 
spiele bei Hautecoeur 7 wie Anrri. s e Bd a. s asa lAnm 
S 365i 
1' Das 1752 datierte Blatt ist von Johann Beheim nach Maulbens 
stochenizwei Exemplare in derAibenina. wieri). Haberditzlnrvit 
33) beschreibt und deutet das Blatt ausführlich in Zusarnmenha 
dem Kuppelgernalde in Wailzen S. 2937300 insbesondere hat 
bedeutsarrteAnalogledesTragemotlvszwtschendem i-iuldigurii 
und der Madonna von Maulbertscns Hochaltarfresko gesehen 
er Auch die beiden Engel weisen neben dem Bogen durch Blick ui 
siik daraui hin aet delattributivert Bedeutung der lilientragende 
aisiranziskariische Allusicrt auf den hi Antonius ist auch zu tiem 
daß das Farriilienwappen Migazzis drei heraldiscii stilisierte 
zeigt utier die ineirianderwehenderi lkonographischen Lesartr 
aus ist vor allem das künstlerische Vermögen Maulbertscns, di 
sarntsinn zu veranschaulichen, meisterhaft: Einerseits stabilis 
diesen Visionär-himmlischen Schauplatz durch kornpositionellt 

	        
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