Die Zeit des Vormärz (1815-48) brachte, bedingt
durch die politische Unfreiheit sowie durch die ge-
waltsamen Eingriffe der staatlichen Zensurbehör-
den in alle Bereiche des täglichen Lebens eine
beinahe völlige Abkehr des Bürgertums vom öf-
fentlichen Leben. Die Konsequente Folge daraus
war die Flucht in ein beschauliches und geborge
nes häusliches Leben innerhalb der Familie, in
dem genügend Raum und Zeit für die Pflege per-
sönlicher Interessen gegeben war. Zu den wesent-
lichen Merkmalen dieser hochentwickelten Fami-
lienkultur gehörten die Veranstaltung von Haus-
musikabenden, die Ausübung künstlerischer
Hausarbeiten und häuslicher Kunstpflege. Diese
Entwicklung war aber nicht allein auf die Schicht
des Bürgertums beschränkt, sondern hatte auch
weite Kreise der aristokratischen Gesellschaft er-
faßt. Es war dies zwar eine nur langsam in Er-
scheinung tretende Tendenz, aber immer mehr
hatten sich auch hier neue Bewertungsmaßstäbe
in den Vordergrund geschoben, die einen Lebens-
stil zur Folge hatten, der nicht mehr ausschließ-
lich auf ein Reüssieren im Hofleben hin orientiert
war, sondern auch Erfolge auf wirtschaftlichen
und künstlerischen Gebieten gelten ließ. Befand
sich doch der österreichische Adel während des
Vormärz bereits in der Endphase einer Entwick-
lung, in der er vorn Herrschaftsstand zu einem
bloß privilegierten Staatsstand im allgemeinen
Untertanenverband wurde und sich somit seine In-
teressen mehr auf den privaten Gesellschaftsbe-
reich verlagerten.
Auch der Kaiserhof frönte den Idealen des bi
meierlichen Familienlebens. Hier konnte
aber bereits auf eine Tradition aus den Tagei
ria Theresias zurückgreifen, in der die Repräs
tionspflichten des Herrscherpaares nach
nach eingeschränkt worden waren. Diese Ent
lung führte während des Vormärz so weit
Franz l. sein Erscheinen bei offiziellen Anlz
auf ein Minimum verringerte und anstatt wir
her üblich in Uniform fast ausschließlich in
kleidung aufzutreten bevorzugte.
Als authentischer Vertreter jener Zeit bezeit
Adalbert Stifter in seinem iiNachsommer-r
"reine Familienlebenii als "das größere Glücl
Glück, das unerschöpflich scheint-i. Durch d
allen Gesellschaftsschichten gleichermaßen
wohnende Ideal wird verständlich, daß sic
der Ausgestaltung des Wohnraumes die so:
Unterschiede verwischten und zu einer für K.
haus wie auch Bürgertum einheitlichen Wol
tur führte. Es kam nicht mehr zur Ausbilduni
Raum- oder Möbeltypen, die als spezifisch hü
angesehen werden konnten. Natürlich gab e
facher und kostbarer ausgeführte lnnendeko
nen, sie waren aberje nach Wunsch und fina
len Möglichkeiten in den Wohnungen aller:
len Schichten zu finden. Ein Vergleich eines
mes aus der Wiener Hofburg (Abb. 5) mit e
bürgerlichen lnterieur (Abb. 4) von ungefäh
selben Zeit zeigt, daß kaum ein Unterschie
steht in den Qualität der Ausstattung ode
verwendeten Möbeltypen. Der Wiener Hof
vielmehr aufgehört, die Rolle eines Förderer
Künste zu spielen. Die künstlerischen Impuls
men aus den Reihen des Bürgertums und b
digten in erster Linie die Bedürfnisse und Le
gewohnheiten dieser Schicht.
Im Gegensatz zur vorangegangenen Epochl
Empire, die sich im österreichischen Kultur
nie richtig durchsetzen konnte, verzichtete
nun bei der innenarchitektonischen Ausgi
tung der biedermeierlichen Wohnräume wi
hend auf die Regeln der Symmetrie. Anstatt
ster Linie der Repräsentation zu dienen, wurr
allem der Bewohnbarkeit eines Raumes absr
Vorrang eingeräumt. Eine Folgeerscheinun
von bildete der Verzicht auf Stilreinheit und
monie bei der Möblierung eines Raumes. N
stücke, die an liebgewonnene Menschen eri
ten, sei es aus freundschaftlichen oder famil
Banden, wurden geschätzt und erhielten
Platz im Wohnraum. Der Eindruck. der dabe
stand, war der eines natürlich gewachsen:
konstanter Entwicklung sich befindenden V
raumes, der die individuelle Persönlichkeit s
Bewohners widerspiegelte.
Wenn man nun von der innenraumgestaltun
Biedermeierzeit selbst zu sprechen beginr
muß Biedermeier hier als kulturhistorische
griff und nicht als stilistische Bezeichnung
standen werden. Veränderte sich doch wäl
der dreißigjährigen Periode des Vormärz di
benseinstellung des Menschen kaum, das
sche bzw. stilistische Erscheinungsbild s
Umgebung aber war einem steten Wandel I
worfen, wie dies auch heutzutage der Fall i:
Zu Beginn der Biedermeierperiode, bei Absi
des Wiener Kongresses, stand im österreichi:
Raum das sogenannte "Empireu noch in
Blüte. Ein Empire, das man als solches kau
zeichnen kann, da es nur mehr wenig mit se
französischen Ursprung gemein hatte. Für
ren Zweck ist es daher notwendig, zwische
Innenarchitektur des Raumes selbst und der
in aufgestellten Objekten beziehungsweisr
zur Raumgestaltung verwendeten Möbelsti
zu unterscheiden. Als Charakteristikum
Empire-lnnenraumes muß man eine einhei
Farbenwirkung und eine symmetrische A