6 Salon; sign;
uSl. Decken; Aquarell.
Historisches Museum
der Sladl Wien
(lnv. Nl. 9895)
7 lntevieunsigmuvmGrös
ser. 1844m Gouache.
Historisches Museum
der Stadt Wien
(lnv. Nr. 138202)
(Anm. 1-5 s. S. 3)
sich das Wohngefühi des Biedermeiermenschen
gegenüber dern des Empire verändert hatte. Der
Raum wurde nicht mehr einem Form- und Farben-
kanon unterstellt, sondern als menschliche Be-
hausung behandelt, die in erster Linie den Leibes-
bedürfnissen seiner Bewohner zu dienen hatte.
Demseiben Phänomen begegnet man bei einzel-
nen Räumen der Wiener Hofburg. Das kaiserliche
Schlafzimmer (Abb. 8), das wiederum nur Andeu-
tungen einer Symmetrie aufweist, versucht im Mö-
beidekor aber gar nicht erst eine einheitliche De
koration zu verwenden. Dies ist eine typische Sl-
tuation für die frühe Zeit um 1820. Ein weiteres
Charakteristikum dieser Phase war das Verteilen
der Möbelstücke entlang der Wand, so daß die
Raummitte frei gelassen wurde. Ein ähnliches Er-
scheinungsbild zeigt ein Salon im SchweizerTrakt
der Wiener Hofburg (Abb. 1), der eher den Ein-
druck eines Hoteizimmers vermittelt als den einer
kaiserlichen Residenz. Altes und neues Mobiliar
wurde hier den Bedürfnissen entsprechend zu-
sammengestellt. Während die entlang der Wand
aufgereihten weiß-goldenen Sessel aus dem Ende
des 18. Jahrhunderts und die Furniermöbel aus
dem Beginn des 19. Jahrhunderts stammen, ist
der Spannteppich eine hochmoderne Kreation aus
der Zeit um 1820. Das Fehlen eines künstlerisch
einheitlich geformten höfischen interieurs war si-
cherlich auch durch die Tradition des Kaiserhau-
ses bestimmt, das keinen Wert auf kostspielige
moderne Raumausstattung legte (in dem zuletzt
beschriebenen Beispiel haben die Fenster nicht
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einmal Vorhänge, sondern nur einfache grüne
Hoiziaicusien). Man mag diese Einstellung als be-
scheidene Haushaltsführung anerkennen oder
aber als Desinteresse an der Wohnkuitur bezeich-
nen; das Resultat bleibt dasselbe und macht deut-
lich, daß der zeitgenössischen Raumgestaltung
von dieser Seite keine wertvollen Impulse gege
ben werden konnten.
Mit den Jahren 1823124 begann sich nun in Wien
besonders der Stil der Möbel zu verändern und ei-
gene, von Frankreich oder England unabhängige
Formen und Richtlinien wurden geschaffen. Es ist
dies der Moment, von dem an man in der Innen-
raumgestaitung von einem eigentlichen Bieder-
meierstil sprechen kann. W.C.W. Blumenbach pu-
blizierte 1825 einige dieser neuen Möbeiformen,
die sich durch eine glatte, ohne Bronzeverzierun-
gen oder bronziertes Schnitzwerk bereicherte
Oberfläche auszeichneteni. Als einziges Orna-
ment wurde auf eine schöne Zeichnung der Holz-
maserung Wert gelegt.
Gleichzeitig blieben aber immer noch aus dem
Empire übernommene Formen in Gebrauch und
wurden manchmal zu besonders phantasievollen
Gebilden verarbeitet. Die Phantasie des Entwur-
fes war oft so groß, daB man kaum an die Ausführ-
barkeit einer solchen Musterzeichnung denken
würde. Vom Gegenteil kann man sich überzeugen.
wenn durch einen glücklichen Zufall Entwurf so-
wie ausgeführtes Objekt erhalten geblieben sind.
Ein Beispiel dafür ist die Entwurfszeichnung eines
unbekannten Wiener Einrichtungshauses für eine
extravagante Kanapee-Kreation (Abb. 15). Das
ausgeführte Möbelstück stand bis vor dem ersten
Weltkrieg auf Schioß Perkataz.
Nun zum Innenraum selbst. Als eine der wichtig-
sten Neuerungen kam es zur Ausbildung soge
nannter "Wohninseln-ß. Darunter versteht man die
Anordnung verschiedener Möbelgruppen, die den
diversen Tätigkeitsbereichen im Rahmen des Fa-
milienlebens entsprechen. Durch das Zusammen-
fassen einzeiner Möbelstücke zu kleinen Gruppen
entstanden gewissermaßen Raumgebilde im
Wohnraum, was nach und nach zur Ausfüllung
des gesamten Zimmers führte, so daß die Möbel
nicht mehr nur entlang der Wände aufgereiht wa-
ren. An Hand eines höfischen (Abb. 5) und eines
bürgerlichen (Abb. 9) lnterieurs der Zeit um 1818
kann man die Frühstufe dieser Raumausteiiung
deutlich verfolgen; wobei das bürgerliche Beispiel
erst sehr zaghafte Versuche, die Raummitte zu
möblieren, erkennen läßt. Als Wohninseln kann
man bei dem Hofburg-lnterieur (Abb. 5) die beiden
Sitzgruppen, den weit in den Raum ragenden
Schreibtisch und den tiefen Fauteuii mit kleinem
Büchertisch bezeichen. Das bürgerliche lnterieur
(Abb. 9) zeigt drei Wohninseln: das Bett mit Nacht-
Kästchen, das Kanapee mit Tisch und Fußsche-
mei und der Schreibtisch mit Ohrenfauteuii und
Fußpoister. Wie man sieht, ist eine jede dieser
kleinen Gruppen mit einer spezifischen Tätigkeit
in Verbindung zu bringen.
Aus dem zuletzt beschriebenen lnterieur ersieht
man, daß der Platz am Fenster ein bevorzugter