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Claes Oldenburg, Visitenkarte aus The Store, 1961.
Sammlung Claes Oldenburg und Coosje van Brüggen.
RAY-GUN MFa CO
THE
STORE
CLAES of^EItBUSG
107 E 2» ST.
HOURS: FRb SAT^ SUN. 1 TO 6 P.M.
AND BY APPOINTMENT
■ l\l COor^ER ATIOIXI "W ITT M
THE GREEN GALLERY
Claes Oldenburg,
Poster von The
Store, 1961.
Sammlung Claes
Oldenburg
und Coosje van
Brüggen,
war im Murakami-Stil ein großes Papier aufgespannt, das wie
eine Leinwand wirken sollte. Auf diese Fläche kritzelte er sehr
schnell in blauer und orangener Farbe die Worte: »I love what
I’ m doing«. Als er fertig war, trank er einen Eimer mit roter Farbe
(eigentlich Tomatensaft), schüttete zwei andere Eimer mit Farbe
über seinen Kopf und sprang dann durch das Bild (ohne Zwei
fel als Hommage an Murakami). Diese kurze Performance war
gleichzeitig eine Parodie der angsterfüllten Aktionen der New
York School, da Dine im wahrsten Sinne in das »Bild« sprang,
und eine Vorwegnahme des befreiten und dynamischen Ein
satzes und Verbrauchs von Farbe bei den Wiener Aktionisten
und bei Künstlern wie Paul McCarthy und Christian Boltanski.
In einer anderen Performance von 1960 zeigte Dine einen Auto
unfall, der seine eigenen Erfahrungen bei einem richtigen Unfall
simulierte. Das gefährliche und erregende Automobil war in
der amerikanischen populären Kultur der späten fünfziger und
frühen sechziger Jahren allgegenwärtig. Mit einem silbernen
Overall, weiß geschminktem Gesicht und bandagiertem Kopf
begann Dine mit einer Zeichendemonstration, in der er den
Unfall unablässig beschrieb und gleichzeitig ständig um Hilfe
rief. Die dazugehörigen Bilder, Zeichnungen und Lithographien
wurden in einem Bereich ausgestellt, der zum zentralen
Raum der Reuben Galerie führte, in dem die Performance
stattfand. In den frühen sechziger Jahren waren Dines Per
formance-Arbeiten mit seinen Werken in den traditionellen
Medien der Malerei und Bildhauerei eng verknüpft: sie inspi
rierten, beleuchteten und ergänzten einander.
107 EAST 2nd STREET
NEW YORK CITY
Phon#
ORegon 4-0360
FRI. to SUN.
1 to 6 P.M.
and by App't.
A AY e y" r* F c. * *•
CLAES OLDENBURG, Prop,
IN COOPERATION WITH GREEN GALLERY
Bald wanderte Dine von der alternativen Szene nach Down-
town Manhattan. Nach Austeilungen in der Reuben Galerie
und der Martha Jackson Galerie folgte die Bastion der New
York School, die Sidney Janis Galerie - eine Laufbahn, die der
seines Freundes Claes Oldenburg durchaus vergleichbar ist.
Für die gemeinsame »Ray Gun Show« gestaltete Oldenburg
The Street - ein zerissenes Tableau von Kartonfiguren und
Automobilen, das fragmentarisch und im Stile Dubuffets vom
Leben in den Slums der Lower East Side handelte, Oldenburg
schrieb: »Die Ausstellung wird aus folgenden Elementen be
stehen: 1,) einer epischen Konstruktion in Form einer Straße,
2.) & 3.) Zeichnungen und Konstruktionen, die ebenfalls mit
Der Straße zu tun haben. Das Material wird hauptsächlich
Papier und Holz sein, geklebtes und zerissenes Papier,
Papier über Draht und auf Holzrahmen, herunterhängendes
und aufspringendes Papier, herumliegendes Papier, usw., usw.,
usw. Die Dimensionen reichen vom Heroischen bis zum ganz,
ganz Kleinen... (jede der Komponenten der Straße kann sepa
rat erworben werden).«'’^ Durch seine Illustrationen von All
tagssituationen für populäre Zeitungen in Chicago hatte
Oldenburg ein Gefühl für die düsteren und reichen Geröllhalden
des Lebens entwickelt und forderte mit einer Kaprow ähnlichen
Geste das Publikum zur Mitwirkung auf.
Im Zusammenhang mit der »Ray Gun Show« organisierte
Oldenburg ebenfalls eine Serie von Performances, die er
Ray Gun Spex nannte und bei denen er selbst sowie Dine,
Higgins, Kaprow und Whitman mitwirkten. In einer Vorweg
nahme seiner Arbeit The Store vom darauffolgenden Jahr ent
wickelte er eine Währung, die es den Besitzern von Eintritts
karten ermöglichte, die im Vorraum der Judson Galerie aus
gestellten Schrottobjekte und Bruchstücke zu erwerben. Die
als Ray Gun Spex aufgeführten Performances wurden, wie es
in der Presseerklärung der Galerie hieß, als »Gemälde in Form
von Theater« präsentiert. Aber die Verbindung zum Theater
mit all ihren narrativen Implikationen war für Oldenburg doch
zu traditionsgebunden, und mit einem naiv-zynischen Durch
bruch wandelte er sein Atelier in einen Laden um.
Von 1. Dezember 1961 bis 31, Januar 1962 betrieb Oldenburg
ein Galerie-Atelier-Performance-Environment in einer Laden
zeile der East Second Street, auf Nummer 107. Der Laden
wurde von der Oldenburg’s Ray Gun Manufacturing Co. gelei
tet, die einen eigenen Briefkopf, Buchhaltung sowie Visiten-
49 Claes Oldenburg, »Brief Description of the Show«, 1960, in: Claes
Oldenburg: An Anthology, Ausst.-Kat., Solomon R.Guggenheim
Museum, New York 1995, S. 50.