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Internationale Sammler-Zeitung.
Rümmer 19.
gewisse monumentale Huffassung und ein allerdings an die Tiefe
der Empfindung des Pähler-Altars nicht heranreichendes Seelen
leben macht diese Stücke besonders interessant.
Huf diese Introduktion folgt nun allerdings in der ITlünchener
ITlalerei eine lange Pause. Wirklich bedeutende tndiuidualitäten
treten erst im letzten Drittel des Jahrhunderts uns wieder entgegen.
Erst in dieser Zeit kann non einer wirklich sicheren, größeren
Produktion inlTlünchen gesprochen werden. Erst um 1470 herum kann
man mit einem modernen Ausdruck lllünchen als eigentliche Kunst
stätte bezeichnen. Der lllangel einer uorangehenden bodenständigen
Entwicklung läfjt alles, was in der Zwischenzeit malerisch in Alt-
bayern geschaffen worden ist, eher als Ausstrahlung des Salz
burger Kunsfzentrums erscheinen und macht sich darin bemerklich,
dafj im Gegensatz zu der stetigen einheitlichen Entwicklung etwa
in llürnbcrg hier stilistisch oerschiedene, parallel laufende
Strömungen deutlich zu Tage treten. Die erste Persönlichkeit, die
mir heute schärfer fassen können, ist Gabriel ITlälefjkircher
(früher ITtädelkircher), der, wie jetzt feststeht, die umfangreiche
Altaraussfattung sowohl des Klosters Benediktbeuern als auch die
non Tegernsee ausgeführt hat. Van derjenigen in Tegernsee sind
eine Reihe non Bildern auf unsere Zeit gekommen, allerdings in
einem Zustande, der ihre Verwendung als Unterlagen wissen
schaftlicher Forschung ungemein erschwert. Die beiden Hauptstücke,
eine grofjc Kreuzschleppung und Kreuzigung, sind im 17. Jahr
hundert einer oölligen Umarbeitung unterzogen worden, die ein
äuf3erst groteskes Mixtum compositum ergeben hat. Immerhin kann
lUälef^kircher als künstlerische Persönlichkeit aufgefafjt werden Er ist
der erste in Altbayern, der in den einzelnen Werken mit einem
deutlich wahrnehmbaren Fortschritt die reine Flächenmalerei der
Frühzeit des Jahrhunderts zu perspektiuischer Vertiefung un.t
größerer Eebendigkeit der Komposition führt. Soweit die Erhaltung
einer Reihe oon weiteren Bildern den Schlufj gestaltet, darf man
als den Hauptuorzug seiner ITtalerei eine kräftige, wenn auch l
etwas bunte Farbenwirkung fesfstellen Dagegen ist wie bei allen
bayerischen Werken der Inhalt und die Formengebung recht be
scheiden. Die gedrungenen, oerrenkten Figuren zeigen kaum das
mindeste seelische Heben, es ist eine reine Jllustrationsmalerei.
Die Werktätte oon ITlälcf^kircher mufj immerhin schon eine recht
bedeutende gewesen sein, das geht aus den sehr umfangreichen
Bestellungen heroor. Hier wie in Franken und Schwaben begegnen
mir Dioergenzen in der Ausführung, die nicht nur auf oerschiedene
Hände, sondern auch auf aus den oerschiedensten deutschen Gauen
zugemanderfe Werksfatfgenassen schließen lassen. Von den lllälefz-
kircherschen Bildern sind die beiden aus der Quirinslegende schon
wegen ihrer am meisten gesteigerten Raumwirkung die markan
testen. Der lllaler, in diesem Fall, nach dem allgemeinen Charakter
der Tafeln mahl JTlälefjkircher selber, stellt sich bei aller Besonder
heit doch als einen Abkömmling der Salzburger Schule dar. Ein
kleinfiguriges Bild der Kreuzigung aus Benediktbeuren unter
scheidet sich in der Ausführung nicht wesentlich hieoon. Ob es
nach der Fassung des Kataloges on den Anfang der uns bekannten
malerischen Produktion niäleijkirchcrs zu setzen ist oder ob ein
selbständiger Werksfattgenosse sein Autor ist, mufj einstweilen
dahingestellt bleiben, mäleijkirchers Weise und Persönlichkeit war
entschieden nicht kraftooll genug, um in der altbayerischen Kunst
eine weitere fruchtbare Entwicklung zu zeigen. Als oon fernher,
wahrscheinlich nach der Verheiratung einer polnischen Prinzessin
in den siebziger Jahren an einen der Handshuter Herzoge, Jan
Polack, ein offenbar durch die flandrisch-französische Schule ge
gangener ITleister, oermutlich aus Krakau nach Bayern kam,
änderte sich das Bild in der Tafelmalerei ganz erheblich. Wir
wissen nicht, in welchem Jahre Jan Polack nach ITlünchen ge
kommen ist, wir wissen blofj, dafz sein erstes in Altbayern nach
weisbares Werk, der Weihenstephaner Altar, um 1482 entstanden
und er 1488 als ITlünchener Bürger und Stadtmaler genannt ist.
Die oier Tafeln mit sieben Darstellungen oom Weihenstephaner
Altar stellen sich in ihrer oerhälfnismäfjig ruhigen Behandlung —
das Beste an dem Altar sind die oier Szenen aus der liegende des
heiligen Benedikt und Korbinian, die ein sehr bedeutendes Geschick
in der Zusammenstellung figurenreicher Szenen beweisen — der
fränkischen und schwäbischen IJJalerei der Zeit ziemlich ebenbürtig
an die Seite. Der Erfolg dieses eingemanderten Künstlers muij
ein durchschlagender gewesen sein; denn in der nachfolgenden
Zeit sehen mir rasch die Produktion oermehrt aber sicher nicht
oerbessert. Die beiden großen Altarmerke, die uns neben manchen
kleineren Werken, wie dem in der Ausstellung blafj in Photo
graphie oertretenen Arsacius-Altar in Hm-lTUinster, in
ITlünchon erhalten sind, nämlich diejenigen für die Peterskirche
und tür die Franziskanerkirche, zeigen schon die deutlichen ITlerk-
male einer grofjen Kunstoerlagsanstalt, wie sie uns in der
charakteristischsten Weise bei Pleydenwurff und Wohlgemut in
flürnberg bekannt ist.
Die mafjoolle Art, die Jan Polack im Weihenstephaner Altar
noch zeigt und die in einem gewissen Zweige der ITlünchener ITlaler-
schule sich lebendig erhält, ist in den Altären in Blutenburg
und Pipping oertreten. Von ihnen sind wenigstens die Flügel hier
zur Ausstellung gekommen. Diese milde und zarte Art wird onn
einer ungemein realistischen Darsfellungsmeise durchsetzt, die in
gewissem Sinne das Erbe ITlälefjkirchers wieder aufnimmt und die
bodenständige Derbheit der bayerischen Kultur der Zeit zur An
schauung zu bringen scheint. Diese oft bis zur platten Rohheit
gesteigerte ITlanier tritt uns in einer Zahl altbayerischer, oor allem
auch nichtmünchner Bilder entgegen, ln dem Franziskancr-Hltar,
wie in dem der Peterskirche ist die allerdings oft oerzerrte Cebendigkeit
der einzelnen Personen und der gesamten Komposition das Charakte
ristische. Das Hauptoerdiensf dieser ITtalerei und darin steht
sie wohl an der Spitze der gleichzeitigen Schulen — liegt in der
grofjen dekoratioen Wirkung, die man am besten als plakatartig
bezeichnet. ITtünchnerisch ist der eigentümliche lllangel jedes helleren
Blaus in den Bildern. Rote und gelbe Töne dominieren. Ganz
eigentümlich und hier haben mir es mahl mit der Eigenart Jan
Polacks zu tun — ist die Art der Behandlung der Architektur ge
schlossener Räume und oor allem der hochinteressanten, in dieser
Weise auf deutschem Boden nicht wieder oorkommenden Sfrafjen-
architektur. Daneben tritt in die Behandlung der Typen und im
Kostüm ein sehr starker polnischer Akzent zu Tage. Dafj der früher
Hans Oimdorfer zugeschriebene Franziskaner-Altar, dessen Haupt
bilder nebst den allerdings in ihrer Gestalt oeränderfen Flügeln nach
langer Trennung hier wieder oereint zu sehen sind, der Werksfätte
Jan Pollacks mit Sicherheit zugeschrieben werden kann, ergibt sich
trotz mancher Verschiedenheit zwischen dem Weihenstephaner Altar
einerseits und dem Petrialtar andererseits aus der Verwendung
desselben niodell- und Inoenfarmaterials, wie Rüstungsstücke und
dergleichen, auf beiden Altären, ln dem Peterskirchenaltar treten
uns wenigstens zwei, wahrscheinlich aber drei Kleister entgegen.
Bei dem Franziskaner-Altar sind es wiederum mindestens zwei, die
mitgewirkt haben. Rächst den beiden lllünchen er Altarwerken ist
die beste Ceistung die für gewöhnlich in Schleifzheim befindliche,
1494 datierte Tafel mit den Brustbildern der drei Stifter des Klosters
Benediktbeuern. Die kräftige, wenn auch durchaus nicht schöne
Charakterisierung der etwas bäuerlichen manche, die sehr geschickte
malerische Behandlung stellt dieses Bild oerhälfnismä^ig hoch, Jan
Polack war bis zum Jahre 1519 in ITlünchen tätig. Rieht blolj in
der gesamten Anlage seiner Kunstproduktion, sondern auch in dem
Überleben seiner eigenen Richtung teilt er merkwürdig das Schicksal
mit michel Wohlgemut. Eine Reihe oon Bildern aus der Ausstellung
zeigt das rasche Verfallen der Werkstatt im Beginn des 16. Jahrhunderts.
Besonders charakteristisch sind zwei Tafeln, die oon einem ITlünchener
Patrizier und dessen Frau im Jahre 1518 gestiftet worden sind.
Die ITlünchener Illalerschule kann mit der Person Jan Polacks
als ihres Führers im ausgehenden 15. Jahrhundert selbstocrständlich
nicht als erschöpft gelten. Zwei Richtungen machen sich in der Werkstatt
in nie ausgeglichenem Kampfe bemerkbar: die ruhigere, an nieder
ländische Schulung anklingende, mit besonders gelungenem kolo
ristischem Effekt arbeitende Jan Polacks selbst und eine wohl boden
ständige, derb-naturalistische und rohe Art, die auf Polack selbst
wieder non großem Einflufz gewesen zu sein scheint. Wer der
Hauptoertrefer dieser letzteren Art gewesen sein mag in der künst
lerischen Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht, ist noch nicht
uöllig klar. Die Annahme, dafz der 1490 ebenfalls in lllünchen