MAK
Seite 304. 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Rümmer 19. 
gewisse monumentale Huffassung und ein allerdings an die Tiefe 
der Empfindung des Pähler-Altars nicht heranreichendes Seelen 
leben macht diese Stücke besonders interessant. 
Huf diese Introduktion folgt nun allerdings in der ITlünchener 
ITlalerei eine lange Pause. Wirklich bedeutende tndiuidualitäten 
treten erst im letzten Drittel des Jahrhunderts uns wieder entgegen. 
Erst in dieser Zeit kann non einer wirklich sicheren, größeren 
Produktion inlTlünchen gesprochen werden. Erst um 1470 herum kann 
man mit einem modernen Ausdruck lllünchen als eigentliche Kunst 
stätte bezeichnen. Der lllangel einer uorangehenden bodenständigen 
Entwicklung läfjt alles, was in der Zwischenzeit malerisch in Alt- 
bayern geschaffen worden ist, eher als Ausstrahlung des Salz 
burger Kunsfzentrums erscheinen und macht sich darin bemerklich, 
dafj im Gegensatz zu der stetigen einheitlichen Entwicklung etwa 
in llürnbcrg hier stilistisch oerschiedene, parallel laufende 
Strömungen deutlich zu Tage treten. Die erste Persönlichkeit, die 
mir heute schärfer fassen können, ist Gabriel ITlälefjkircher 
(früher ITtädelkircher), der, wie jetzt feststeht, die umfangreiche 
Altaraussfattung sowohl des Klosters Benediktbeuern als auch die 
non Tegernsee ausgeführt hat. Van derjenigen in Tegernsee sind 
eine Reihe non Bildern auf unsere Zeit gekommen, allerdings in 
einem Zustande, der ihre Verwendung als Unterlagen wissen 
schaftlicher Forschung ungemein erschwert. Die beiden Hauptstücke, 
eine grofjc Kreuzschleppung und Kreuzigung, sind im 17. Jahr 
hundert einer oölligen Umarbeitung unterzogen worden, die ein 
äuf3erst groteskes Mixtum compositum ergeben hat. Immerhin kann 
lUälef^kircher als künstlerische Persönlichkeit aufgefafjt werden Er ist 
der erste in Altbayern, der in den einzelnen Werken mit einem 
deutlich wahrnehmbaren Fortschritt die reine Flächenmalerei der 
Frühzeit des Jahrhunderts zu perspektiuischer Vertiefung un.t 
größerer Eebendigkeit der Komposition führt. Soweit die Erhaltung 
einer Reihe oon weiteren Bildern den Schlufj gestaltet, darf man 
als den Hauptuorzug seiner ITtalerei eine kräftige, wenn auch l 
etwas bunte Farbenwirkung fesfstellen Dagegen ist wie bei allen 
bayerischen Werken der Inhalt und die Formengebung recht be 
scheiden. Die gedrungenen, oerrenkten Figuren zeigen kaum das 
mindeste seelische Heben, es ist eine reine Jllustrationsmalerei. 
Die Werktätte oon ITlälcf^kircher mufj immerhin schon eine recht 
bedeutende gewesen sein, das geht aus den sehr umfangreichen 
Bestellungen heroor. Hier wie in Franken und Schwaben begegnen 
mir Dioergenzen in der Ausführung, die nicht nur auf oerschiedene 
Hände, sondern auch auf aus den oerschiedensten deutschen Gauen 
zugemanderfe Werksfatfgenassen schließen lassen. Von den lllälefz- 
kircherschen Bildern sind die beiden aus der Quirinslegende schon 
wegen ihrer am meisten gesteigerten Raumwirkung die markan 
testen. Der lllaler, in diesem Fall, nach dem allgemeinen Charakter 
der Tafeln mahl JTlälefjkircher selber, stellt sich bei aller Besonder 
heit doch als einen Abkömmling der Salzburger Schule dar. Ein 
kleinfiguriges Bild der Kreuzigung aus Benediktbeuren unter 
scheidet sich in der Ausführung nicht wesentlich hieoon. Ob es 
nach der Fassung des Kataloges on den Anfang der uns bekannten 
malerischen Produktion niäleijkirchcrs zu setzen ist oder ob ein 
selbständiger Werksfattgenosse sein Autor ist, mufj einstweilen 
dahingestellt bleiben, mäleijkirchers Weise und Persönlichkeit war 
entschieden nicht kraftooll genug, um in der altbayerischen Kunst 
eine weitere fruchtbare Entwicklung zu zeigen. Als oon fernher, 
wahrscheinlich nach der Verheiratung einer polnischen Prinzessin 
in den siebziger Jahren an einen der Handshuter Herzoge, Jan 
Polack, ein offenbar durch die flandrisch-französische Schule ge 
gangener ITleister, oermutlich aus Krakau nach Bayern kam, 
änderte sich das Bild in der Tafelmalerei ganz erheblich. Wir 
wissen nicht, in welchem Jahre Jan Polack nach ITlünchen ge 
kommen ist, wir wissen blofj, dafz sein erstes in Altbayern nach 
weisbares Werk, der Weihenstephaner Altar, um 1482 entstanden 
und er 1488 als ITlünchener Bürger und Stadtmaler genannt ist. 
Die oier Tafeln mit sieben Darstellungen oom Weihenstephaner 
Altar stellen sich in ihrer oerhälfnismäfjig ruhigen Behandlung — 
das Beste an dem Altar sind die oier Szenen aus der liegende des 
heiligen Benedikt und Korbinian, die ein sehr bedeutendes Geschick 
in der Zusammenstellung figurenreicher Szenen beweisen — der 
fränkischen und schwäbischen IJJalerei der Zeit ziemlich ebenbürtig 
an die Seite. Der Erfolg dieses eingemanderten Künstlers muij 
ein durchschlagender gewesen sein; denn in der nachfolgenden 
Zeit sehen mir rasch die Produktion oermehrt aber sicher nicht 
oerbessert. Die beiden großen Altarmerke, die uns neben manchen 
kleineren Werken, wie dem in der Ausstellung blafj in Photo 
graphie oertretenen Arsacius-Altar in Hm-lTUinster, in 
ITlünchon erhalten sind, nämlich diejenigen für die Peterskirche 
und tür die Franziskanerkirche, zeigen schon die deutlichen ITlerk- 
male einer grofjen Kunstoerlagsanstalt, wie sie uns in der 
charakteristischsten Weise bei Pleydenwurff und Wohlgemut in 
flürnberg bekannt ist. 
Die mafjoolle Art, die Jan Polack im Weihenstephaner Altar 
noch zeigt und die in einem gewissen Zweige der ITlünchener ITlaler- 
schule sich lebendig erhält, ist in den Altären in Blutenburg 
und Pipping oertreten. Von ihnen sind wenigstens die Flügel hier 
zur Ausstellung gekommen. Diese milde und zarte Art wird onn 
einer ungemein realistischen Darsfellungsmeise durchsetzt, die in 
gewissem Sinne das Erbe ITlälefjkirchers wieder aufnimmt und die 
bodenständige Derbheit der bayerischen Kultur der Zeit zur An 
schauung zu bringen scheint. Diese oft bis zur platten Rohheit 
gesteigerte ITlanier tritt uns in einer Zahl altbayerischer, oor allem 
auch nichtmünchner Bilder entgegen, ln dem Franziskancr-Hltar, 
wie in dem der Peterskirche ist die allerdings oft oerzerrte Cebendigkeit 
der einzelnen Personen und der gesamten Komposition das Charakte 
ristische. Das Hauptoerdiensf dieser ITtalerei und darin steht 
sie wohl an der Spitze der gleichzeitigen Schulen — liegt in der 
grofjen dekoratioen Wirkung, die man am besten als plakatartig 
bezeichnet. ITtünchnerisch ist der eigentümliche lllangel jedes helleren 
Blaus in den Bildern. Rote und gelbe Töne dominieren. Ganz 
eigentümlich und hier haben mir es mahl mit der Eigenart Jan 
Polacks zu tun — ist die Art der Behandlung der Architektur ge 
schlossener Räume und oor allem der hochinteressanten, in dieser 
Weise auf deutschem Boden nicht wieder oorkommenden Sfrafjen- 
architektur. Daneben tritt in die Behandlung der Typen und im 
Kostüm ein sehr starker polnischer Akzent zu Tage. Dafj der früher 
Hans Oimdorfer zugeschriebene Franziskaner-Altar, dessen Haupt 
bilder nebst den allerdings in ihrer Gestalt oeränderfen Flügeln nach 
langer Trennung hier wieder oereint zu sehen sind, der Werksfätte 
Jan Pollacks mit Sicherheit zugeschrieben werden kann, ergibt sich 
trotz mancher Verschiedenheit zwischen dem Weihenstephaner Altar 
einerseits und dem Petrialtar andererseits aus der Verwendung 
desselben niodell- und Inoenfarmaterials, wie Rüstungsstücke und 
dergleichen, auf beiden Altären, ln dem Peterskirchenaltar treten 
uns wenigstens zwei, wahrscheinlich aber drei Kleister entgegen. 
Bei dem Franziskaner-Altar sind es wiederum mindestens zwei, die 
mitgewirkt haben. Rächst den beiden lllünchen er Altarwerken ist 
die beste Ceistung die für gewöhnlich in Schleifzheim befindliche, 
1494 datierte Tafel mit den Brustbildern der drei Stifter des Klosters 
Benediktbeuern. Die kräftige, wenn auch durchaus nicht schöne 
Charakterisierung der etwas bäuerlichen manche, die sehr geschickte 
malerische Behandlung stellt dieses Bild oerhälfnismä^ig hoch, Jan 
Polack war bis zum Jahre 1519 in ITlünchen tätig. Rieht blolj in 
der gesamten Anlage seiner Kunstproduktion, sondern auch in dem 
Überleben seiner eigenen Richtung teilt er merkwürdig das Schicksal 
mit michel Wohlgemut. Eine Reihe oon Bildern aus der Ausstellung 
zeigt das rasche Verfallen der Werkstatt im Beginn des 16. Jahrhunderts. 
Besonders charakteristisch sind zwei Tafeln, die oon einem ITlünchener 
Patrizier und dessen Frau im Jahre 1518 gestiftet worden sind. 
Die ITlünchener Illalerschule kann mit der Person Jan Polacks 
als ihres Führers im ausgehenden 15. Jahrhundert selbstocrständlich 
nicht als erschöpft gelten. Zwei Richtungen machen sich in der Werkstatt 
in nie ausgeglichenem Kampfe bemerkbar: die ruhigere, an nieder 
ländische Schulung anklingende, mit besonders gelungenem kolo 
ristischem Effekt arbeitende Jan Polacks selbst und eine wohl boden 
ständige, derb-naturalistische und rohe Art, die auf Polack selbst 
wieder non großem Einflufz gewesen zu sein scheint. Wer der 
Hauptoertrefer dieser letzteren Art gewesen sein mag in der künst 
lerischen Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht, ist noch nicht 
uöllig klar. Die Annahme, dafz der 1490 ebenfalls in lllünchen
	        
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