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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 3
Bei Seiden und hei Pittner. wurden die Medaillen durch
den Grafen F h u n bestellt. Bei dieser Arbeit gingen
viele Stanzen zugrunde, Pittner hat sie jedoch alle
ersetzt, indem er die Stanzen ausgehoben und wieder in
Stahl eingedruckt hat.
Als diese Stanzen und Medaillen endlich fertig-
gestellt waren, hat Pittner die Erfindung gemacht, eine
in Stahl gegossene Modellierung in eine Stahlstanze cin-
zudrucken, so daß der geschickte Graveur nunmein
die eingedruckte Stanze zu überarbeiten hatte. Es war
ein Behelf, um die Arbeit abzukürzen. Pie Gußhaut des
eingedruckten gegossenen Pfaffens* hatte sich mit ab
gedruckt und mußte in der Stanze entfernt werden. Damit
gingen eine Menge von Schönheiten des Modells vei -
loren und man mußte schon bei Modellierung in
Wachs daran denken, welche Schönheiten erhalten
werden mußten oder welche erst in der Stanze graviert
werden können. Aber da wurde auch die Ueberarbeitung
des Pfaffens im Guß gefunden. Durch diese Manipula
tion war der Graveur imstande, seine Arbeit schneller
und schöner aus der Hand zu bekommen, indem er den
erhabenen Pfaffen überarbeitete und fertigstellte, so
daß in der eingedruckten Stanze beinahe nichts mehr
zu verbessern war. Diese Manipulation habe ich in
meinem Geschäft stark forciert und nicht nur Medaillen
stanzen, sondern die größten Stanzen für die Industrie,
welche, in der Tiefe graviert, eine riesige Zeit in An
spruch genommen hätten, wurden in dieser Methode
hcrgestellt. Die Herren Tautenhayn, Scharf und
L e i s e k unterstützten ihre Arbeiten auf einem, anderen
Weg. Sie gravierten die Medaillenstanzen beinahe
fertig und ließen einen Pfaffen ausheben, welchen sie
sehr sauber überarbeiteten. Sie hatten vordem viele
Medaillen erhaben auf Stahl geschnitten, was wir alle
auch an der Akademie erlernten. Die Akademie-Aus
stellungen der Schule Radnitzky haben immer derlei
Schülerarbeiten gezeigt. Ich war als Sachverständiger
bei Hinterlassenschaften oft zugezogen, um die hinter-
lasscnen Werkzeuge und Abdrücke von Arbeiten der
verstorbenen Künstler zu schätzen. Ein hiesiger Kunst
händler hat eine Kollektion von Punzen eines sehr be
deutenden römischen Medailleurs in Wien zu verkaufen
gesucht und lange diese Arbeiten ausgestellt. Da waren
Köpfe, Hände, Füße, Arme in allen Stellungen und
Größen erhaben geschnitten, welche der Künstler in die
Stanze eingeschlagen hat. Die Künstler der k. k. Münze,
B ö h m, Langer, Gaul, Scharf und W e i ß, haben
jedes Gesicht einer Figur auf eine Punze geschnitten
und dann in die Stanze an der richtigen Stelle einge
schlagen. Die Medaille auf die Vermählung unseres
Kaisers von K- Lange ist ein Beispiel für das eben
Gesagte. Diese kleinen Köpfe zeigen eine Porträt
ähnlichkeit, die fabelhaft genannt werden muß.
In neuerer Zeit., das heißt in den letzten 30 Jahren,
habe ich in Paris gesehen, daß zur Herstellung von
Punzen zum Einschlagen die Reduktionsmaschine heran
gezogen wurde. Das ist ein Hilfsmittel für den Graveur,
welcher Medaillen graviert. Ich habe in meiner
Sammlung die schönsten Arbeiten, die gleich in der
Tiefe angefertigt wurden. Es waren eben Künstler,
welche dieses hach zu hoher Vollkommenheit brachten
und dem Stande Ehre machten. Nach der Ansicht
unserer heutigen Medailleure sind die damaligen
Künstler nur Handwerker gewesen, die eine gewerbliche
Technik ausübten. Sic. Wie kurze Zeit wird vergehen
und wir werden wirklich keine Künstler mehr besitzen,
welche eine Medaille in der Tiefe schneiden können.
Geschäftlicher Ausdruck für eine aus der grauen Stanze
ausgehobene, erhaben erscheinende Stanze, mit welcher eine
neue Stanze eingedrückt werden kann.
Die Relicfmaschine macht diese Künstler verschwinden
und ich sehe es kommen, daß die Herren Medailleure,
welche Plaketten und Medaillen erzeugen, ihre Arbeiten
von geschickten Graveuren überarbeiten und fertig
machen lassen, wie es die Herren in Paris machen. Dort
war ein sehr geschickter Medailleur, namens T a s s e t,
welcher in den Jahren 1853 und 1854 in Wien beim Hof
graveur Radnitzky arbeitete und ein Schüler des Pro
fessors Radnitzky an der k. k. Akademie wurde. Ich
hatte damals mit ihm viel Verkehr, da ich mein Fran
zösisch und er die deutsche Sprache kultivieren wollte.
Tasset, der wieder nach Paris zurückging, hat sich dort
etabliert und eine, jetzt veraltete Reduktionsmaschine
eingestellt, die er nach und nach zu großer Verwend
barkeit brachte. Die so hochgeschätzten Medailleure
in Paris, Barre, C h a p 1 a i n, R o 11 i und andere,
hatte er zur Kundschaft, und während meiner drei
maligen Anwesenheit in Paris habe ich die ganze Zeit
mit ihm und meinem Schüler Kluge verbracht und
habe seine Leistungen kennen gelernt. Er war eine be
scheidene, aber künstlerisch reich veranlagte Natur und
gegen die Kollegen die Gefälligkeit selbst.
Aus den hier geschriebenen Zeilen wird man leicht
entnehmen, daß derjenige, welcher gut modellieren
kann, Aussicht hat, schneller als Künstler zu gelten, wie
dies bei jenen Graveuren und Medailleuren der Fall
war, welche ohne jede technische Beihilfe, nur mit dem
Stichel und dem Punzen arbeitend, bis zum vierzigsten
Lebensjahr arbeiten mußten, um ihre Arbeiten auf
künstlerische Höhe zu bringen. Was kann ein
talentierter Medailleur in zehnjähriger fleißiger Arbeit
durch seine Modellierungen erreichen, welche Stellung
kann er sich in der Kunst schaffen und wie ist sein
pekuniärer Erfolg? ln den Fünfzigerjahren hatten wir in
Wien außer den Herren in der Münze: Direktor Böhm,
Scharf-Vater, Gaul, Lange und Weiß, noch drei
Medailleure, die sich die schärfste Konkurrenz
machten. Arbeit war wenig vorhanden. Die Aufträge
waren selten und konnten die Künstler davon nicht
leben, daher sic Lehrerstellen suchten. Jahrelang war
die Stelle eines Professors der Graveurschule unbe
setzt, die Kleinplastik bei Professor Bauer unter
gebracht. Um diese Stelle bewarben sich Radnitzky, der
Sohn des Hofgraveurs, Wenzel Seiden, der von Prag
kam und Schüler der Akademie war, den Rompreis er
hielt und gezwungen war, beim Hofgraveur Jauner
Beschäftigung zu suchen, der dritte war der Medailleur
und Bildhauer, nachmals Professor an der Neubauer
Realschule C e s a r. Mit schwerer Mühe und Protektion
wurde Radnitzky Professor an der Akademie.
Wenn man bedenkt, um welche Preise diese Herren
arbeiten mußten, trotz Renommee und Geschicklichkeit.
Es sträubt sich meine Feder, diese Ziffern niederzu
schreiben. Es wäre dem Nachwuchsc zu gönnen, daß sie
ihre Position finde und für ihre Mühe gezahlt werde.
Was die Reduktion einer Medaille kostete, ist nicht viel
weniger als der Preis, den die alten Meister für ihre
Graveurarbeit erhielten. Würde nicht eine Reihe von
Bildhauern ihr J alent dem Medailleurfache zuwendeii
und nur die zünftigen Schüler der Akademie-Graveur-
sehulc Medailleure werden, so könnten die Medailleure
ja Beschäftigung für ihr Leben erhoffen, aber — aber —
die Erzeugung von Medaillen ist eine künstliche Pflanze,
sie wurde in die Mode gebracht; durch die Unterstützung
dei numismatischen Vereine und Gesellschaften, welche
sich die Aufgabe gestellt hatten, diesen Kunstzweig zu
heben, ist eine Ueberproduktion entstanden, die eine
Gefahr für alle Vertreter dieser Kunst bedeutet. Man
daif nicht vergessen, daß die privaten Prägeanstalten
hiebei besonders interessiert sind, daß diese Arbeiten