MAK
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Internationale S a m m 1 e r - Z e i t li n g. 
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Wohnung selbst zu entwerfen und selbst herzustellen. 
Bei dieser Arbeit schlossen sich den beiden Freunden 
noch ein paar andere mit den gleichen Bedürfnissen und 
Zielen an, und bald war in der kleinen Wohnung in Red 
Lion Square in London ein ganzer Kreis von jungen 
Leuten beisammen, die mit Eifer und Freude ihre ganze 
Energie in die Bewältigung der von ihnen selbst ge 
stellten Aufgaben legten. Dies war der eigentliche Beginn 
der Morris-Bewegung. 
Morris war die Seele dieses Kreises. Da ihm neben 
seiner besonderen Begabung für alle künstlerischen und 
kunsthandwerksmäßigen Tätigkeiten auch das Vermögen 
eigen war, seinen Willen geltend zu machen und andere 
zu beeinflussen, so wußte er seine Freunde mit stets 
neuen Anregungen auf das glücklichste zu inspirieren. In 
diesem gemeinsamen Arbeitsleben voll Schaffensfreude 
und rastloser Beweglichkeit, bei dem Zeit für alles ge 
funden wurde, vorausgesetzt, daß es dem großen End 
zwecke, der Kunst, diente, wirkte Morris wie eine Art 
Apostel, dessen Glaubenskraft alle mitriß und zu ein 
mütigem Tun befeuerte. Seine Vorschrift: »Dulde nichts 
in deinem Hause, was du nicht zu benützen verstehst, 
oder das du nicht für schön hältst« und viele andere ähn 
liche waren wie eine Erleuchtung für diese jungen 
Menschen, und bald drangen seine Ideen auch über die 
Grenzen des kleinen Kreises und fanden ihren Weg in 
die große Welt hinaus. Sogar das Dienstmädchen seiner 
Zimmerfrau wußte Morris zu dem Glauben an die Kunst 
zu bekehren. Diese Mary spielte in dem häuslichen Leben 
der Künstlergesellschaft eine eigenartige und erwähnens 
werte Rolle. Sic wußte jedem einzelnen das Heim an 
ziehend und gemütlich zu machen; sic schaffte stets 
Platz für alle, die kamen, und verstand es, bei Logierbe 
suchen im Handumdrehen aus Matratzen Betten herzu 
stellen. Wenn ihre schwere Hausarbeit getan war, kam 
sic ins Atelier und setzte sich an den Stickrahmen. 
Morris, der niemand anderen hatte, der seine Stickerei 
entwürfe ausführen konnte, hatte sie sticken gelehrt. Daß 
sie für die Künstler kochte, flickte und ihre Sachen in 
Ordnung hielt, verstand sich von selbst; aber sie las auch 
ihre Briefe und ihre (Bücher für sie, ja sie stand sogar 
Modell; kurz sie war allen überall und immer eine unent 
behrliche Hilfe. Als sie heiratete, schenkte ihr Burne- 
Jones ihr von ihm gemaltes Porträt. 
Im Jahre 1857 unternahmen Morris, Burne-Jones und 
Rosetti mit einigen anderen Freunden ihr erstes, großes, 
dekoratives Werk: die Wandmalerei im Union Debating 
Roont in () x f o r d. Da aber keiner von ihnen die Technik 
der Freskomalerei verstand, verblaßten die Farben sehr 
bald und heute sind von diesen prächtigen romantischen 
Bildern nur noch vereinzelte Konturen erhalten, die von 
Ja'hr zu Jahr schwerer erkennbar werden. 
Anläßlich dieses Besuches in Oxford lernte Morris 
seine spätere Frau, Jane Bürden, kennen, eine hervor 
ragende Schönheit, die später von Rosetti, der sie unge 
mein bewunderte, oft gemalt wurde. Mit seiner Ehe 
schließung eröffnete sich Morris und seinen Freunden 
eine neue, große Aufgabe: es galt nun, ein Haus zu 
bauen und für den Empfang der jungen Frau einzurichten, 
denn kein bestehendes Privathaus in London, keine’Ein 
richtung schienen Morris seiner Frau würdig zu sein. 
So entstand das berühmte »Red House«. Philipp 
W’ e b b s, mit dem Morris schon Freundschaft ge 
schlossen hatte, als er bei W. Street, ihrem gemein 
samen Lehrer arbeitete, war der Architekt. Jedes ein 
zelne Stück der Einrichtung, der Möbel, der Ornamente, 
der Wandbehänge, der Tapeten, kurz, alles mit Aus 
nahme der Küchengeräte wurde neu entworfen und her 
gestellt. Aus dieser Notwendigkeit, für das junge Paar 
ein seiner würdiges Heim Voll Schönheit, Anmut und 
Behagen zu schaffen, kristallisierte sich sodann die Idee 
der Gründung einer kunstgewerblichen Firma. So ent 
stand unter dem Namen Morris, Marshall, Faulkner & 
Company, aus denen später einfach Morris & Company 
wurde, ein Unternehmen, dessen Teilhaber und Mit 
arbeiter William Morris, Dante Gabriel Rosetti, der be 
rühmte Maler Ford Madox Brown, Edward Burne-Jones, 
Philipp Webbs und C. J. Faulkner waren. Im Jahre 1861 
wurde diese neue Firma mit dem außerordentlich kleinen 
Kapital von sieben Einpfundaktien, die den Teilhabern 
gehörten, und einer unbedeckten Anleihe von hundert 
Pfund eröffnet. Die Kapitalien zur Führung des Betriebes 
gab Morris aus eigener Tasche, und von Anbeginn bis 
zum Ende steuerte er aus seinem eigenen Kapital bei, 
um die Erfordernisse des Unternehmens zu bestreiten; 
auf ihn vertraute man auch während der Jahre, in 
welchen die Firma mit Verlust arbeitete. 
Vom künstlerischen Standpunkt bedeutete dieses 
Unternehmen gleich vorn ersten Tage einen großen Er 
folg. Das Genie Morris’ allein ermöglicht dies. Was er in 
die Hand nahm, war des Gelingens sicher. So wie er in 
Red Lion Square zu ganz ungewöhnlichen Leistungen 
befeuert hatte, so vermochte er auch seinen Arbeitern 
Freude und Begeisterung mitzuteilen. Als Arbeitgeber 
wußte er die Interessen seiner Arbeiter und die der 
Firma, das heißt, die Interessen der Kunst, in selten 
glücklicher Vereinigung gleichzeitig zu schätzen und zu 
fördern. Nach dem Grundsätze vorgehend: »Der Künstler 
muß zugleich Handwerker und der Handwerker zugleich 
Künstler sein,« hatte er sich in Kürze eine gut geschulte 
Arbeiterschaft herangebildet und somit die wichtigste 
Vorbedingung für die Ausführung künstlerischer Ent 
würfe geschaffen. Demzufolge übertraf auch die Firma 
Morris & Co. bald alle anderen Möbel und Hausgeräte 
erzeugenden Fabriken, nicht nur in den Entwürfen, 
sondern auch in deren Ausführung. 
Die Firma übernahm alle Arten Wanddekorationen, 
Schnitzereien, soweit sic mit der Architektur im Zu 
sammenhänge standen, Glasmalereien, Metall- und 
Juwelenarbeiten, Stickereien, Ledertapeten, also die Her 
stellung aller Gegenstände für das Haus und für dessen 
Ausschmückung. Im Jahre 1862 wurde das große 
Publikum anläßlich einer Ausstellung zum erstenmal mit 
den Arbeiten der Firma bekannt. Es war ein voller Er 
folg, wiewohl die Konkurrenz ein wenig Verachtung und 
viel Neid bezeugte. 
Im Laufe der Jahre häuften sich die Bestellungen. 
Dieselben betrafen zum großen Teil die Ausschmückung 
der Kirchen. Mit der neuen Ordnung des Rituals, die zu 
dieser Zeit in England eingeführt wurde, war endlich 
dem langgehegten allgemeinen Bedürfnis nach feier 
licher Schönheit der Kirche und des Gottesdienstes, wie 
sie für das Mittelalter so charakterisitsch war, Er 
füllungsmöglichkeit gegeben. Morris, Burne-Jones, Ford 
Madox Brown, Rosetti und Philipp Webbs zeichneten 
in Ausführung dieser Aufträge farbige Kirchenfenster 
und entwarfen Muster für Kirchengeräte. Man kann 
ruhig behaupten, daß die Wiedererweckung der Glas 
malerei diesen Künstlern zu danken ist. Die Schönheit 
ihrer Entwürfe, der Reichtum der Phantasie, der sich 
darin offenbarte, ist ganz außerordentlich und groß 
artig. Die romantische Veranlagung der Künstlergruppe 
tritt hier deutlich zutage, besonders in den Glasmalereien 
für weltliche Zwecke, deren Motive aus dem Sagenkreise 
König Arturs und seiner Tafelrunde genommen waren. 
Diese Sagen, von Lady Charlotte Guest im Jahre 1846 
aus dem Keltischen übersetzt, erfüllten zu dieser Zeit 
das ganze gebildete England mit Entzücken und gaben 
auch Tennyson die Anregung zu seinen Königsidyllen. 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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