MAK
Nr. 4 
Internationale Sammler-Zeitung 
Seite 29 
die sorgsam erhaltenen Maroquinbände und das kalli 
graphische Meisterwerk des 18. Jahrhunderts, Kaukols 
christlicher Seelenschatz, zu denen noch aus dem 
Nachtrag, ebenfalls in eigener Abteilung, eines der 
bedeutendsten Stücke hinzukommt, ein Einband des 
sächsischen Meisters Krauße. Schließlich seien noch 
einige Seltenheiten erwähnt, so die deutsche Über 
setzung des Castiglione von 1565 vom bayrischen 
Mautbeamten Laurenz Kratzer zu Burghausen am Inn, 
dem der Zolldienst noch so viel Zeit ließ, das Buch, da es 
gar „so lustig zu lesen, in schlecht Teutsch zu trans 
ferieren“, und dann ein bekanntes Werk, diesmal in 
gut Teutsch Sprach, die erste Gesamtausgabe von 
Schillers Werken, in alten, schönen Ledereinbänden. 
Stradivari. 
Der Geigenvirtuose Bronislaw Huberman ist 
wieder im Besitze seiner Stradivari. Der Wiener Polizei 
ist es gelungen, des Diebes und seiner kostbaren Beute 
habhaft zu werden. 
Anläßlich der Zustandebringung des Instruments 
hat der bekannte Musikschriftsteller Armin Fried-* 
mann in der „Wiener Zeitung“ ein Feuilleton über 
Stradivari erscheinen lassen, dem wir folgende inter 
essante Daten entnehmen: „Stradivari baute Geigen, 
Bratschen, Celli. Gelegentlich auch Gitarren und 
Pochetste (Tanzmeistergeigen; ein Exemplar im 
Museum des Conservatoire zu Paris). Stradivari soll 
bei tausend Geigen in seinem Leben gebaut haben, 
fast jede davon ein Meister- und Wunderwerk. Von 
diesen tausend Geigen dürften kaum fünfhundert 
erhalten sein, Celli vielleicht hundert. Der Meister 
besaß, die leichteste und geschickteste Künstlerhand, 
ungemeine akustische Kenntnisse und Erfahrungen, 
die großen Traditionen der Schulen von Cremona und 
Brescia, die er zur Höhe hinanführte. Seine Arbeit 
ist von unendlicher Sorgfalt, sein Holz das schönste, 
das Werkstattgeheimnis seines herrlichen Lacks wohl 
für immer verloren. 
Stradivari war schon bei Lebzeiten hochberühmt 
und als der erste Meister seiner Kunst anerkannt. 
Für den spanischen Hof baute er 1687 ein Quartett 
mit Elfenbeineinlage. Der Hof von Toscana betraute 
ihn mit besonderem Aufträge. Die berühmte Geige 
„The Tuscan“ von 1690 dürfte eines der Instrumente 
sein, die er 1684 oder 1690 an Cosmo von Medici ab 
lieferte. Ferner waren unter seinen Auftraggebern der 
Herzog von Alba, König August von Polen und der 
Hof von Modena. Auch Prinz Eugen soll nach der 
Einnahme von Cremona die Werkstätte des Stradivari 
besucht und ihn, wenn die Fama nicht irrt, durch einen 
Auftrag ausgezeichnet haben. 
Stradivaris Ruhm war seltsamerweise bald nach 
seinem Tode im Erlöschen und die Ehre seines Namens 
geriet fast in Vergessenheit. Das währte so bis etwa 
1800. In dieser Zeit waren die Geigen des Jakob 
Stainer aus Absam in Tirol die beliebtesten mit ihrer 
hohen Wölbung, ihrem süßen, kleinen, etwas flöten 
haften Ton. Diese in ihrer Art gewiß bewunderns 
werten Instrumente, die dem Geschmack und den 
Bedürfnissen des musikalischen Rokoko vollauf ent 
sprachen, reichten aber weder für die neue Geigen 
literatur noch für die immer wachsenden Konzertsäle 
aus, und so sind sie langsam zu Sammler- und Museum 
stücken geworden. Alle Welt verlangte nach dem flachen 
Modell des Stradivari. 
Daß der Ruhm Stradivaris zu neuem Glanz auf 
blühte und sich immer strahlender durchsetzte, ist 
zum großen Teil einem Manne zu verdanken, der ein 
sonderbares Mittelding zwischen Geigenliebhaber und 
Geigenhändler, Geigenfanatiker und Geigenharpagon 
war. Er hieß Luigi Tarisio und lebte von 1800 bis 
1854 in Mailand. Als wandernder Händler durchzog 
er ganz Italien, um alte Geigen aufzustöbern. 1827 
ging er zu Fuß von Mailand nach Paris. Mit seinen 
Geigen auf dem Rücken. Zerlumpt; zerfetzt, seinen 
Stiefeln fehlten die Sohlen, der Staub der Straße lag 
in Haaren und Kleidern. Er sah aus wie ein defekter 
Bettler, als er dem.Geigenmacher Aldric seine Amatis, 
Magginis und Ruggieris auf den Ladentisch legte. 
George Hart berichtet, daß Tarisio in Mailand das 
Leben eines Einsiedlers und Sonderlings geführt habe. 
Er lebte und webte nur unter Geigen. Als die Nachbarn 
ihn einige Tage nicht gesehen hatten, ließen sie behörd 
lich die armselige Wohnung öffnen. Tarisio lag leblos 
auf seinem Lager. Er besaß nur einen Tisch, einen 
Stuhl und das Bett. Aber rings, um ihn waren Violin- 
kasten zu Hunderten aufgetürmt. Drei herrliche 
Kontrabässe waren in alte Säcke eingewickelt. Nach 
Tarisios Tode erwarb Vuillaume aus Paris den Nachlaß. 
Der Mann, der als Bettler gelebt hatte und auch als 
solcher gestorben war, hinter ließ nicht weniger als 
zwölf erstklassige Stradivarigeigen. Tarisio konnte 
weder lesen noch schreiben. Sein Vermögen belief sich 
auf 300.000 Lire. In einem kleinen Landhause hatte 
er noch ein besonderes Geigen versteck. Hier fand sich 
Stradivaris Wunderwerk „La Messie“. Diesen Namen 
hatte sie erhalten, weil Tarisio seinen Pariser Geschäfts 
freunden immer versprochen hatte, ihnen diese Geige 
zu zeigen, ohne jemals mit ihr zu kommen. Wenn man 
von Stradivari spricht, darf auch der Name Tarisio 
nicht unerwähnt bleiben, denn er hat sich hohe Ver 
dienste um die erneuerte Wertschätzung des Meisters 
erworben. 
Von einigen besonders berühmten. Stradivarigeigen' 
und ihren Besitzern sei hier noch kurz gesprochen: 
1683 (Suk, vom böhmischen Streichquartett); 1687 
(Kubelik); 1697 (Halir); 1700 (Intendanz Berlin, ge 
liehen dem Virtuosen Felix Meyer); 1701 (Tivadar 
Nachez, London); 1709 (Vilrna Neruda, früher H. D. 
Ernst); 1714 (Joachim f); 1714 (Kncisel, Boston, 
früher Professor Grün, Wien); 1714 (Sarasatc f); 
1714 (Julius Winkler, Wien, ehemals Rudolf Kreutzer); 
1715 (Joachim J); 1715 Sarasate f); 1716 (Waldemar 
Meyer); 1781 (Felix Meyer); 1721 (Hugo Heermann); 
1724 (Sarasate f); 1725 (August Wilhelm] f). 
In Wien befinden sich wertvollste Stradivarigeigen 
in der berühmten Sammlung Hämmerlc, bei Bank 
direktor Kux, Fabrikanten Bondy, Freiherrn von 
Liebig, Dr. Weiß, Walter und im Nachlasse des 
Rechtsanwaltes Dr. Theodor Krenn. 
Nun kann dieser kleinen Liste erfreulicherweise auch 
die Geige Bronislaw Hubermans vom Jahre 1708 
wieder eingefügt werden. 
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