MAK
Seite 98 
Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 11 
Der Nachlass des Hofrates Emil Zuckerkandl. 
Am 5. und 6. Juni wird die Einheit einer der schön 
sten Sammlungen Wiens aufgelöst. Sie war das 
künstlerische Erlebnis eines großen Gelehrten, der in 
seinen Mußestunden zum Ästhetiker sich wandelte. 
Hofrat Professor Emil Zuckerkandl legte den Grund 
seines Kunstbesitzes schon in Graz, wo er als junger 
Professor Ende der achtziger Jahre lebte. Ihn leitete 
die Liebe zur Vereinigung von Formenharmonie und 
Materialveredlung. Und er entdeckte, lange bevor 
Alt-Wien und das Biedermeier den großen Modeauf 
schwung nahmen, diese Schönheitswerte. Hand in 
Hand mit solcher der heimatlichen Kunst geschenkten 
Liebe ging ein scheinbar sehr heterogenen Werten ge- 
seines Erlebnisses festhalten. Hier wird der in der 
Geschichte des Alt-Wiener Porzellans vielleicht einzig 
artige „Waschtisch" (Fig. 1) zu sehen sein, der 
im Jahre 1904 in der großen Alt-Wiener Porzellan 
ausstellung des Österreichischen Museums einen Ehren 
platz einnahm. Weder in einem Museum noch im Privat 
besitz ist ein ähnliches Stück vorhanden. Es scheint 
die Erfindung einer Grande-Dame gewesen zu sein, 
die auf ihren Reisen den gewohnten Komfort nicht 
entbehren wollte, sich diesen auf einem Ständer ru 
henden, wundervoll intarsierten, verschließbaren 
Kasten bauen ließ, der die edelste Art Alt-Wiener 
Tischlerkunst repräsentiert. In festen Behältern ist 
Fig. 1. Toilettetisch. Um 1750. 
widnretes Interesse. Scheinbar nur jedoch war der 
Gegensatz dieser Welten. Denn der Sammler fand 
zwischen dem phantasievollen, proportionsedlen Kunst- 
handwerk des alten Wien und jenem der ostasiatischen 
Kultur den Zusammenhang der hohen Qualität. So 
erhielt sein Besitz durch diese persönliche Anschauung 
eines eigenartigen Geistes jenen merkwürdigen Cha 
rakter, den schon Mäzene des achtzehnten Jahrhunderts 
ihren Kunstsammlungen aufgeprägt hatten. Edmond 
de Goncourt schildert diese Harmonie in seinem 
Buch „La maison d’un Artiste“ mit den Worten: 
„Der Kenner erblickt Bronzen, Zeichnungen und die 
Porzellane dieser anmutigsten aller Kunstepochen 
in enger Vermengung mit der ostasiatischen Kunst, 
die schon eine so glückliche Ehe in der Sammlung der 
Pompadour geschlossen hatten, und aller Curieux und 
Curiolets dieser Zeit.“ 
Bevor nun das Bild dieser Kunsteinheit verschwindet, 
wird das Dorotheum noch einmal die Charakteristik 
ein vollständiges Service eingepaßt, bestehend aus dem 
Waschbecken, den Puderdosen, den Flakons und dem 
Schminktopf. Weißes Alt-Wiener Porzellan mit dem 
Roccailrand der Maria Theresia-Epoche in rosa Email. 
Die verschlungenen Initialen „F. F." (Fürst Fürsten 
berg ?) zieren jedes Stück. Ein Spiegel, der verschiebbar 
ist und hinter welchem ein Farbenstich (Amor mit dem 
Bogen) sich verbirgt sowie Schubfächer für die Kämme 
sind im Dcckelteil des Kastens angebracht. Mit einem 
Druck zweier Federn kann das Service versenkt und 
der Kasten wie ein Koffer verschlossen werden. Die 
ganze Anmut des achzehnten Jahrhunderts und seine 
unerreichte Handwerkskunst drückt sich in diesem 
Zeichen subtilster Kultur aus. 
Selten als Form und Qualität ist auch die figurale 
Porzellanuhr aus der Alt-Wiener Epoche des Rokoko. 
Und ein Tafelservice Alt-Wien mit allen Prunk 
aufsätzen für Obst, Blumen, Zuckerwerk führt in die 
berühmte Epoche des Alt-Wiener Porzellans, in das
	        
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