Schweizer Leinenstickerei aus der vormaligen Sammlung Hefner-Alteneck. Nach 1500
Wert auf das I-Iorn gelegt und es als Symbol des Kreuzes aufgefaßt - viel-
leicht aus dem Grunde, weil die fabelhafte Naturgeschichte berichtete, daß
jegliches Gift durch das Horn des Tieres unschädlich gemacht werde und
die gleiche Vorstellung seit dem IX. Jahrhundert beim Kreuz und später
beim Kruzifix galt. Im Mittelalter schätzte man das Einhornpulver als kost-
bares Gegengift, welches die Fürsten immer bereit zu haben pflegten, und aus
dem I-Iorn verfertigte Trinkgefäße schützten gegen Gift und Krankheiten
jeder Art. Der eigentliche Träger der Wunderkraft war der unter dem Horn
des Einhorns liegende Karfunkel. In der Straßburger Molsheimer-I-Iandschrift
des Alexander schickt die Königin Candace dem Alexander ein Einhorn, das
nur mit einer Jungfrau gefangen werden konnte und den Karfunkel in sich
trage. Diesen heilkräftigen Stein auf dem Stirnbein des Tieres kennt auch
Wolfram von Eschenbach als erfolglos versuchtes Mittel, die Wunde des
Gralkönigs Anfortas zu heilen. In griechischen Handschriften wird erzählt,
das Einhorn mache das nach Sonnenuntergang von der Schlange vergiftete
Wasser mit seinem I-Iorn früh morgens für die übrigen Tiere wieder trinkbar.
Mit dieser Eigenschaft erscheint es wiederholt dargestellt in der Ferrare-
sischen Handschrift der „Imprese di Carlo magno", weiters in den Rand-
leisten der Bibel des Herzogs Borso. In einer Randleiste des Franco Russi
tötet es mit seinem Horn das am meisten gefürchtete Ungeheuer, den Drachen.
(Abgebildet bei Dr. Hermann „Die Miniaturmalerei am Hofe der Este"
Jahrbuch 1900.)
Da das Einhorn nur in der Einbildung des Menschen lebte, dieser aber
unglaubliche Summen für die Herbeischaffung eines I-Iornes opfern wollte,
mußten es die Stoßzähne des Narwals ersetzen. Das Bayreuther Archiv auf
der Plassenburg bewahrte deren vier Stücke als außerordentliche Raritäten,
als Hörner des Einhorns. Eines hatten die Bayreuther Markgrafen von
Kaiser Karl V. für einen großen Schuldposten angenommen und für das größte
Exemplar wurden 155g von der Stadt Venedig 30.000 Zechinen in Gold
umsonst geboten. Ein weiteres Exemplar wurde zur Verwertung als Arznei-
mittel bestimmt - dies jedoch auch nur für Erkrankungen im Fürstenhaus.
In Dresden hing ein auf 100.000 Reichstaler bewerteter Stoßzahn in der
kurfürstlichen Sammlung an goldener Kette. Mit der Überzeugung, daß diese