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grausam zu Werke, indem er von den Stätten, die er den Ankömmlingen anwies,
die einheimischen Bewohner vertrieb, die dann meist in der Nähe neue Orte mit Beibe
haltung des alten Namens gründeten, so Alt-Aicha, Alt-Mant, Alt-Prachatitz, Alt-
Kolin rc. So that er es denn auch mit dem linksufrigen Suburbium von Prag, dessen
sahrhundertalte Bevölkerung mit rücksichtsloser Härte abgetrieben wurde, um den
deutschen Colonisten Platz zu machen, die ihre eigene Gemeindeverfassung nach Magde-
burgischem Rechte erhielten. Sie hieß von da an die „Neue Stadt unter der (Prager)
Burg — novn eivikns sub euskro", auch die „Kleinere Stadt -- irrenSl mösto"; aus dieser
letzteren Bezeichnung hat sich mit der Zeit „die Kleinseite" entwickelt. Von den früheren
Örtlichkeiten und Benennungen dieses Stadttheiles hat sich nur der Oujezd (Ös^ä) bis
ans den heutigen Tag erhalten. Das rechtsseitige Prager Suburbium blieb in seinen
früheren Verhältnissen, nur daß die Nachkommen der deutschen Colonie am Porte sich
stetig mehr ausbreiteten, unter der slavischen Bevölkerung Fuß faßten und nun dort
gleichfalls ihre deutschen Rechte und Freiheiten zur Geltung brachten, woraus nun die
„Größere Stadt --vakm nrsslo" entstand. Die Gründung und der Bau neuer Kirchen,
die Einführung verschiedener geistlicher Orden, wie im Jahre 1252 der Kreuzherren mit
dem rothen Stern nächst der Prager Brücke, bezeichnen gleichfalls die glänzende
Regierungszeit des zweiten Otakar.
Sie wurde ein Jahrhundert später überstrahlt durch jene des „Vaters des Vater
landes", wie die dankbare Nachwelt Karl IV. nannte, unter welchem Prag zugleich
Haupt- und Residenzstadt des heiligen römischen Kaiserreiches deutscher Nation wurde.
Karl IV. baute den alten Königssitz, der unter den letzten Herrschern gegen andere Sitze
vertauscht und darum vernachlässigt worden war, aus vollständigem Verfall durch Meister
und Werkleute, die er aus Frankreich berief, zu einem neuen Prachtbau um, der die
Bewunderung der Zeitgenossen erregte, und verstärkte ihre Ilmwallung durch Thürme,
deren mit Goldblech überzogene Dächer weit ins Land hinein schimmerten und funkelten.
Daneben begann sich der St. Veitsdom in jener herrlichen Gestalt zu erheben, wie
ihn unsere Enkel dereinst in seiner Vollendung schauen werden; denn was seit nahezu
fünf Jahrzehnten mit kunstvoller Pietät daran geschaffen wird, ist doch nichts anderes als
theils Wiederherstellung, theils vollständige Ausführung dessen, was vor sechsthalbhundert
Jahren geniale Meister angelegt und geplant hatten.
Wie um dem schöpferischen Monarchen auch nach dieser Richtung Anlaß zu geben,
seiner kunstsinnigen Baulust ein würdiges Denkmal zu setzen, zerstörte im Jahre 1352
eine furchtbare Hochflut die Judithbrücke, und so wurde eine kleine Strecke oberhalb
derselben der Grund zu einer neuen steinernen Brücke gelegt, die durch Jahrhunderte
ihren Rang unter den stauuenswerthen Jngenieurwerken dieser Art in Europa behaupten