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im Schreine angetroffen haben. Es ist das nämliche Embonpoint des
Antlitzes, das nämliche Schmunzeln der vollen Lippen und der gleiche,
etwas verschwommene Blick aus halbverdeckten Augen (Abb. 56).
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Der Stil des ganzen Werkes weist nach Franken und innerhalb des
fränkischen Kunstkreises auf seinen führenden Meister Tilmann Riemen-
schneidet.
Zieht man die anerkannt vortreffliche, zusammenfassende Schilderung
der charakteristischesten Merkmale der Kunstweise dieses Meisters heran,
wie sie der jüngste Riemenschneider-Monographi entworfen hat, so findet
man sie Punkt für Punkt auf den Kefermarkter Altar anwendbar.
Tönnies stellt zunächst fest, daß Riemenschneider kein großer Erzähler
ist, sich für gewöhnlich mit der Wiedergabe einfacher Zuständlichkeit
begnügt und bei der notgedrungenen Wiedergabe dramatisch erregter
Szenen die Handlungsbewegungen und den Emplindungsausdruck seiner
Gestalten tunlichst mildert. So steht auch am Kefermarkter Altar die ein-
fache Existenzschilderung der großen Einzeliiguren hoch über der in den
Reliefs sich aussprechenden Erzählergabe, und die einzige stärker bewegte
Szene unter den letzteren, der Tod Mariens, ist tatsächlich mehr aufs
Elegisch-Milde als aufs Dramatisch-Erregte gestimmt.
Und wieder an jene fünf herrlichen Einzeliiguren muß man denken,
wenn Tönnies fortfährt: „Über allen seinen Werken liegt eine große Ruhe,
man möchte sagen Haltung, seine Gestalten sind feinfühlige, wenn auch
nicht geistreiche Menschen, voller Empfindung."
„Riemenschneiders Figuren sind durchwegs mager und schlank
gebildet" (vgl. besonders Christoph, Georg, Florian und die Engel im
Schrein). „Ihre Haltung, noch in der gotischen Linie geschwungen" (vgl.
Katharina und Barbara), „ist graziös." „In den Proportionen der Gestalten
ist auffällig, daß der Oberkörper durchwegs zu kurz im Verhältnis zum
Unterkörper gehalten ist" (vgl. alle Frauengestalten, Georg und Florian und
insbesondere jene Engelgestalten im Mittelschrein, auf deren anormale
Proportionen schon im Vortext hingewiesen ist). „Die schmalen, hängenden
Schultern, kurzen Arme und dem entsprechend etwas zu klein gebildeten
Hände mit langen, schmalen Fingern" werden besonders deutlich an den
Frauengestalten des Altars sichtbar.
Der Meister „bevorzugt das reiche modische Zeitkostüm, die Rüstung
der Ritter" (auf den modischen Charakter des Harnisches Georgs und Florians
wurde schon oben hingewiesen) „und die Amtstracht der Geistlichen" (Wolf-
gang, Petrus, die Halbfigur rechts und so weiter), „je nachdem der Gegen-
stand es zuließ oder aber erheischte. Die subtile Wiedergabe des Oma-
mentes, Schmuckes" (vgl. besonders die I-Iauptiiguren!) „und .der kostbaren
" Eduard Törmies: „Leben und Werke des Würzburger Bildschnitzers Tilmann Riernenschneider". Straß-
burg, xgoo. (S. 48 Ff.)