Porträtminiaturmaler Josef Havliczek tätig, der nur-
sprünglich- Maler in der Wiener Porzellanmanufak-
rur gewesen sein soll. (Diesbezüglicher Hinweis bei
Schidloff: Miniature in Europa, sowie in Heinrich
Fuchs: Die österreichischen Maler des 19. Jahrhun-
dertsl2. Band K 4B.) Obwohl, wie gesagt, in den Per-
sonalständen kein Nachweis für Havliczek zu finden
ist, könnte ervielleicht doch in einem losen Verhält-
nis zur Manufaktur gestanden haben. eine Art Kom-
missionär für die Glasdekoration.
Zeitlich könnte seine Tätigkeit an der Manufaktur
mit jener Kothgassers und seiner Kollegen
1820-1830 zusammenfallen.
Aber man kann noch andere Argumente für die Auf-
fassung wNebenlinie Glasbemalung- innerhalb der
Wiener Porzellanmanufaktur anführen: Die Roh-
stoffbeschaffung (Gläser und Farben), das Vorhan-
densein von Muffelöfen in der Manufaktur und
schließlich der Vertrieb von 1000enden von Objek-
ten, von denen zahlreiche exportiert wurden - all
das hat in einem noch so perfektionierten Hausma-
lerbetrieb keinen Platz.
In diese Periode 1820-1830 fallen auch einige grö-
ßere Arbeiten Kothgassers an wFensternß. Ob es
sich dabei um die Bemalung der Kirchenfenster im
Stift Seitenstetten handelte - die Kothgasser viel
Lob einbrachten - oder Fenster am Brandhof, dem
Schloß Erzherzog Johanns. konnte zunächst noch
nicht festgestellt werden. Jedenfalls werden diese
Fensterbemalungen über die Hablischech-Büchlein
abgerechnet, und liegt wieder die Annahme nahe,
daß die der Krone unterstehende Manufaktur hier
vermittelt hat.
Akzeptiert man nun, daß Kothgasser mit anderen
Kollegen im Rahmen der Manufaktur auch Gläser
dekorierte, so erhebt sich die Frage - welche? Die
drei Hablischech-Büchlein geben darüber einige
Auskunft, es mag hiergenügen, hervorzuheben. daß
unter der Rubrik -gemahlt-. am häufigsten Karten-
gläser und die Stephanskirche aufscheinen. Karten-
gläser in verschiedensten Ausführungen fallen auch
in das Fach der Dekorationsmalerei, die Kothgas-
sers eigentliches Arbeitsgebiet in der Manufaktur
war. Das dürfte auch ein wesentlicher Grund sein,
warum er, vor allem anfänglich, häufiger Bordüren
malte und beschriftete, als Gläser bemalte. Die Ste-
phanskirche hat er nach Porzellanvorlagen gemalt,
wobei Genauigkeit und Aku ratesse wichtiger waren
als eine spezifische Malbegabung.
Müssen wir nun nach all dem Ausgeführten den Be-
griff des Kothgasserglases neu abgrenzen? Sollte
die Forschung nun von Kothgasser persönlich be-
malten und beschrifteten Gläsern nachspüren?
Kaum. Unsignierte Gläser als spezifische, von Koth-
gasser dekorierte Gläser anzusprechen ist schon
deshalb kaum möglich, weil z.B. auch andere Künst-
ler der Manufaktur Stephanskirchen- und Kartenglä-
ser bemalt haben müssen. Ebenso hat Kothgasser
auch gelegentlich Vedutengläser bemalt, obwohl
die Mehrzahl dieses Typs sicherlich vorn Land-
schaftsmaler Schufried dekoriert wurde. Sich bloß
auf signierte Gläser zu beschränken - würde den
Kreis des Oeuvre Kothgassers viel zu stark
einengen. Überdies ist eigentlich bloß die soge-
nannte wGroßeSignatur-i unumstritten ("der Mahler
oder Erzeiger wohnt auf den Spanischen Spitals-
berg N227 in Wien"). Die in den Rillen der Ranftbe-
cher angebrachte wAKii-Signatur ist oft später hin-
zugefügt worden.
Man wird mit einigem Recht eine Reihe von Gläsern
vor 1820 Anton Kothgasser persönlich zuschreiben
können. Das ist die Zeit, in der er als Hausmaler ar-
beitete bzw. als Nebenbeschäftigung Gläser deko-
rierte. Aber erstens ist es sehr schwer, Gläser zu da-
tieren, und zweitens haben Kothgasser nachweis-
lich auch in jener Zeit Kollegen von der Manufaktur
beim Bemalen von Gläsern geholfen. Manche wohn-
ten im gleichen Haus wie Kothgasser oder in der
Nachbarschaft. Es ist daher äußerst schwer, Koth-
gassers Bemalungen nachzuweisen. Es ist auch ei-
gentlich überflüssig:
Man muß vielmehr den Begriff des i-Kothgassergla-
ses- als Gattungsbegriff verwenden und ihm alle
Becher und verwandten Formen zuordnen, die mit
typischen und immer gleichartigen Transparentfar-
ben bemalt sind. einen bestimmten Beschriftunge-
typus aufweisen und außerdem im Charakter und
der Farbe der Bordürenbemalung übereinstimmen.
Ob sie dann von Kothgasser eigenhändig dekoriert
wurden, ist weniger wichtig, wenn man weiß, daß die
meisten dieser Gläser das Ergebnis der Zusammen-
arbeit mehrerer ßSpezielisten-i ist - von Porzellan-
malern, die für die Glasdekoration abgestellt und
vermutlich von Kothgasser speziell abgerichtet
wurden. Als Spezialisten auf ihrem Gebiet (Blu-
menmaler, Landschaftsmaler, Personenmaler) wa-
ren sie sicherlich talentierter ais Kothgasser selbst,
der es im Bereich der Porzellandekoration nie zur
höchsten Stufe - der Personenmaler- brachte. Man
kann daher ein schwächer bemaltes Kothgasserglas
nicht als Schulglas bezeichnen und ein hervorra-
gend bemaltes als von Kothgasser persönlich deko-
riertes, sondern als ein besser oder schlechter be-
maltes Kothgasserglas - wobei Kothgasserglas
eben ein Gattungsbegriff ist.
Nicht zu dieser Gruppe zählen jedoch spätere Gläser
des Kothgassertyps, deren einige - entstanden um
1860-70 - ich als wböhmische Gläser- bezeichnet
habe. Ich vermute. daß diese Gläser im Zusammen-
hang mit böhmischen Porzellanmanufakturen stan-
den, denn ihnen allen ist eine Bemalung mit wäßri-
gen Transparentfarben eigen, und es gibt deren ein-
fach zu viele, als daß man sie einer oder mehreren
Kopierwerkstätten zuschreiben möchte. Sie ver-
wenden alle einen höheren, schlankeren Raftbecher
als jenen der ZOerJahre und sind auch mit Bezug auf
Bordüre, Beschriftung und Maltechnik so gleichar-
tig, daß man einen gemeinsamen Entstehungsort
annehmen möchte. Da manche von ihnen auch typi-
sche Porzellandekorationstechniken aufweisen,
liegt es nahe, ihren Ursprung in eine oder mehrere
der böhmischen wPcrzellanfabriken-i zu verlegen,
die damals auch übereine ganze Anzahl talentierter
Maler verfügten.
Spätere Kopisten, z.B. Lobmeyer- es gibt Kothgas-
sergläser mit der Lobmeyer-Signatur -, kommen
den Farben derechten Kothgassergläser viel näher,
doch fehlt ihnen auch vielfach die lockere Sicherheit
der früheren Gläser. Vor allem scheinen mir die Bor-
düren steif und Kothgassers berühmtes i-Dunst-
gelb-t - die goldgelbe Farbe am Grund der Bordüre-
verändert. Stellt man ein altes Glas, auch wenn es
nicht so perfekt bemalt ist, neben ein spät Kopiertes,
wird man den Unterschied unschwer erkennen.
Rudolf von Strasser, der in Amerika lebende österreichi-
sche Glassammler. hat kürzlich im Corona Verlag Kerl H.
Heine KG Karlsruhe ein reichbebildertes Buch herausge-
bracht. in dem er aus den wiederentdeckten Einschreibe-
büchlein des Anton Kothgasser neue Erkenntnisse schöpft,
Die vier Einschreibebüchlein Kothgassers sowie eines des
PorzellanlandschaftsmalersJakob Schulrled sind im An-
hang an die Publikation im transkribierten Wortlaut veröf-
lentlicht und stellen wichtiges Dokumentetlonsrnaterial
dar. das wegen seiner Reichheltigkeit bei der Erlerschung
der Geschichte des Biedermeierglases in Zukunft eine
wichtige Rolle spielen dürfte.
30
El Anschrift des Autors:
Rudolf von Strasser
990 Edgeweod Avanue
Palham Manor. N.Y.10803