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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 158)

Porträtminiaturmaler Josef Havliczek tätig, der nur- 
sprünglich- Maler in der Wiener Porzellanmanufak- 
rur gewesen sein soll. (Diesbezüglicher Hinweis bei 
Schidloff: Miniature in Europa, sowie in Heinrich 
Fuchs: Die österreichischen Maler des 19. Jahrhun- 
dertsl2. Band K 4B.) Obwohl, wie gesagt, in den Per- 
sonalständen kein Nachweis für Havliczek zu finden 
ist, könnte ervielleicht doch in einem losen Verhält- 
nis zur Manufaktur gestanden haben. eine Art Kom- 
missionär für die Glasdekoration. 
Zeitlich könnte seine Tätigkeit an der Manufaktur 
mit jener Kothgassers und seiner Kollegen 
1820-1830 zusammenfallen. 
Aber man kann noch andere Argumente für die Auf- 
fassung wNebenlinie Glasbemalung- innerhalb der 
Wiener Porzellanmanufaktur anführen: Die Roh- 
stoffbeschaffung (Gläser und Farben), das Vorhan- 
densein von Muffelöfen in der Manufaktur und 
schließlich der Vertrieb von 1000enden von Objek- 
ten, von denen zahlreiche exportiert wurden - all 
das hat in einem noch so perfektionierten Hausma- 
lerbetrieb keinen Platz. 
In diese Periode 1820-1830 fallen auch einige grö- 
ßere Arbeiten Kothgassers an wFensternß. Ob es 
sich dabei um die Bemalung der Kirchenfenster im 
Stift Seitenstetten handelte - die Kothgasser viel 
Lob einbrachten - oder Fenster am Brandhof, dem 
Schloß Erzherzog Johanns. konnte zunächst noch 
nicht festgestellt werden. Jedenfalls werden diese 
Fensterbemalungen über die Hablischech-Büchlein 
abgerechnet, und liegt wieder die Annahme nahe, 
daß die der Krone unterstehende Manufaktur hier 
vermittelt hat. 
Akzeptiert man nun, daß Kothgasser mit anderen 
Kollegen im Rahmen der Manufaktur auch Gläser 
dekorierte, so erhebt sich die Frage - welche? Die 
drei Hablischech-Büchlein geben darüber einige 
Auskunft, es mag hiergenügen, hervorzuheben. daß 
unter der Rubrik -gemahlt-. am häufigsten Karten- 
gläser und die Stephanskirche aufscheinen. Karten- 
gläser in verschiedensten Ausführungen fallen auch 
in das Fach der Dekorationsmalerei, die Kothgas- 
sers eigentliches Arbeitsgebiet in der Manufaktur 
war. Das dürfte auch ein wesentlicher Grund sein, 
warum er, vor allem anfänglich, häufiger Bordüren 
malte und beschriftete, als Gläser bemalte. Die Ste- 
phanskirche hat er nach Porzellanvorlagen gemalt, 
wobei Genauigkeit und Aku ratesse wichtiger waren 
als eine spezifische Malbegabung. 
Müssen wir nun nach all dem Ausgeführten den Be- 
griff des Kothgasserglases neu abgrenzen? Sollte 
die Forschung nun von Kothgasser persönlich be- 
malten und beschrifteten Gläsern nachspüren? 
Kaum. Unsignierte Gläser als spezifische, von Koth- 
gasser dekorierte Gläser anzusprechen ist schon 
deshalb kaum möglich, weil z.B. auch andere Künst- 
ler der Manufaktur Stephanskirchen- und Kartenglä- 
ser bemalt haben müssen. Ebenso hat Kothgasser 
auch gelegentlich Vedutengläser bemalt, obwohl 
die Mehrzahl dieses Typs sicherlich vorn Land- 
schaftsmaler Schufried dekoriert wurde. Sich bloß 
auf signierte Gläser zu beschränken - würde den 
Kreis des Oeuvre Kothgassers viel zu stark 
einengen. Überdies ist eigentlich bloß die soge- 
nannte wGroßeSignatur-i unumstritten ("der Mahler 
oder Erzeiger wohnt auf den Spanischen Spitals- 
berg N227 in Wien"). Die in den Rillen der Ranftbe- 
cher angebrachte wAKii-Signatur ist oft später hin- 
zugefügt worden. 
Man wird mit einigem Recht eine Reihe von Gläsern 
vor 1820 Anton Kothgasser persönlich zuschreiben 
können. Das ist die Zeit, in der er als Hausmaler ar- 
beitete bzw. als Nebenbeschäftigung Gläser deko- 
rierte. Aber erstens ist es sehr schwer, Gläser zu da- 
tieren, und zweitens haben Kothgasser nachweis- 
lich auch in jener Zeit Kollegen von der Manufaktur 
beim Bemalen von Gläsern geholfen. Manche wohn- 
ten im gleichen Haus wie Kothgasser oder in der 
Nachbarschaft. Es ist daher äußerst schwer, Koth- 
gassers Bemalungen nachzuweisen. Es ist auch ei- 
gentlich überflüssig: 
Man muß vielmehr den Begriff des i-Kothgassergla- 
ses- als Gattungsbegriff verwenden und ihm alle 
Becher und verwandten Formen zuordnen, die mit 
typischen und immer gleichartigen Transparentfar- 
ben bemalt sind. einen bestimmten Beschriftunge- 
typus aufweisen und außerdem im Charakter und 
der Farbe der Bordürenbemalung übereinstimmen. 
Ob sie dann von Kothgasser eigenhändig dekoriert 
wurden, ist weniger wichtig, wenn man weiß, daß die 
meisten dieser Gläser das Ergebnis der Zusammen- 
arbeit mehrerer ßSpezielisten-i ist - von Porzellan- 
malern, die für die Glasdekoration abgestellt und 
vermutlich von Kothgasser speziell abgerichtet 
wurden. Als Spezialisten auf ihrem Gebiet (Blu- 
menmaler, Landschaftsmaler, Personenmaler) wa- 
ren sie sicherlich talentierter ais Kothgasser selbst, 
der es im Bereich der Porzellandekoration nie zur 
höchsten Stufe - der Personenmaler- brachte. Man 
kann daher ein schwächer bemaltes Kothgasserglas 
nicht als Schulglas bezeichnen und ein hervorra- 
gend bemaltes als von Kothgasser persönlich deko- 
riertes, sondern als ein besser oder schlechter be- 
maltes Kothgasserglas - wobei Kothgasserglas 
eben ein Gattungsbegriff ist. 
Nicht zu dieser Gruppe zählen jedoch spätere Gläser 
des Kothgassertyps, deren einige - entstanden um 
1860-70 - ich als wböhmische Gläser- bezeichnet 
habe. Ich vermute. daß diese Gläser im Zusammen- 
hang mit böhmischen Porzellanmanufakturen stan- 
den, denn ihnen allen ist eine Bemalung mit wäßri- 
gen Transparentfarben eigen, und es gibt deren ein- 
fach zu viele, als daß man sie einer oder mehreren 
Kopierwerkstätten zuschreiben möchte. Sie ver- 
wenden alle einen höheren, schlankeren Raftbecher 
als jenen der ZOerJahre und sind auch mit Bezug auf 
Bordüre, Beschriftung und Maltechnik so gleichar- 
tig, daß man einen gemeinsamen Entstehungsort 
annehmen möchte. Da manche von ihnen auch typi- 
sche Porzellandekorationstechniken aufweisen, 
liegt es nahe, ihren Ursprung in eine oder mehrere 
der böhmischen wPcrzellanfabriken-i zu verlegen, 
die damals auch übereine ganze Anzahl talentierter 
Maler verfügten. 
Spätere Kopisten, z.B. Lobmeyer- es gibt Kothgas- 
sergläser mit der Lobmeyer-Signatur -, kommen 
den Farben derechten Kothgassergläser viel näher, 
doch fehlt ihnen auch vielfach die lockere Sicherheit 
der früheren Gläser. Vor allem scheinen mir die Bor- 
düren steif und Kothgassers berühmtes i-Dunst- 
gelb-t - die goldgelbe Farbe am Grund der Bordüre- 
verändert. Stellt man ein altes Glas, auch wenn es 
nicht so perfekt bemalt ist, neben ein spät Kopiertes, 
wird man den Unterschied unschwer erkennen. 
Rudolf von Strasser, der in Amerika lebende österreichi- 
sche Glassammler. hat kürzlich im Corona Verlag Kerl H. 
Heine KG Karlsruhe ein reichbebildertes Buch herausge- 
bracht. in dem er aus den wiederentdeckten Einschreibe- 
büchlein des Anton Kothgasser neue Erkenntnisse schöpft, 
Die vier Einschreibebüchlein Kothgassers sowie eines des 
PorzellanlandschaftsmalersJakob Schulrled sind im An- 
hang an die Publikation im transkribierten Wortlaut veröf- 
lentlicht und stellen wichtiges Dokumentetlonsrnaterial 
dar. das wegen seiner Reichheltigkeit bei der Erlerschung 
der Geschichte des Biedermeierglases in Zukunft eine 
wichtige Rolle spielen dürfte. 
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El Anschrift des Autors: 
Rudolf von Strasser 
990 Edgeweod Avanue 
Palham Manor. N.Y.10803
	        
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