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Volltext: Monatszeitschrift XXI (1918 / Heft 8, 9 und 10)

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auch auf die Volkskunst erstreckt und was er hier vernichtet hat, kann keine 
Zeit und keine Arbeit je wiederbringen. 
Das sind Feststellungen aus rückschauender, wohlfeiler Erkenntnis. 
Beileibe nicht etwa Vorwürfe! Dieses ganze Walten lag ja so sehr im Geiste 
der damaligen Zeit, daß andere Staaten, die mit ihren gewerbefördernden 
Versuchen später begannen als wir, die somit aus unseren Fehlern hätten 
lernen können, weit entfernt hievon, genau die gleichen begangen haben. 
Die Besserung konnte erst beginnen, als der Zeichner sich selbst wieder 
in den Handwerker verwandelte; als er Ehrfurcht vor der Werkstatt zurück- 
gewann; als er wieder die lebendigen Impulse verspürte, die von der Berührung 
mit dem Arbeitsstoff ausströmen; als sein Formwille nicht nur durch die 
äußerliche Bekanntschaft mit den Werken der Vorzeit aufgeregt, sondern 
durch eigene praktische Handwerksarbeit erzogen und geläutert wurde; als 
er merkte, daß die witzigste Form bloß ephemere Laune bleibt, wenn ihr 
nicht der Ursprung aus einer geschlossenen Lebens- und Arbeitsgesinnung 
Dauerwertverleiht; als er zu alledem unterscheiden lernte zwischen beseelter 
Arbeit der Hand und unpersönlicher Präzisionsleistung der Hinken Maschine. 
Ein solcher umfassender Gesundungsprozeß bedarf natürlich längerer 
Zeit. Als aber die Wandlung des Zeichenkünstlers in den Handwerker voll- 
zogen war, als der kunstgewerbliche Formgedanke wieder im Erleben 
wurzelte und nicht mehr lediglich der Bildung und Belesenheit entsprang, 
da vermochte keine Macht der Welt das Kunstgewerbe fürder zur Nach- 
ahmung abgelebter Formen zu zwingen. Es war fortan nicht mehr die 
matte Erinnerung an Gesehenes, sondern der lebendige Ausdruck einer 
Lebensgesinnung. Und damit hatte es eine innere Ähnlichkeit mit den besten 
gewerblichen Werken der Vorzeit gewonnen, die ihm deren äußere Nach- 
ahmung nie verleihen konnte! 
Diese Wandlung vom Zeichensaal zur Werkstatt, vorn Kennen zum 
Können, von der Geschicklichkeitsübung zum Selbstbekenntnis bedeutet 
den geistigen Werdegang der Kunstgewerbeschule während der 50 Jahre 
ihres Bestehens. 
Die Arbeit, die vorhergehen rnußte, damit diese Erkenntnisse gewonnen, 
diese Wandlung vollzogen werden konnte, hätte auf dem eingeengten, 
spröden Boden der Schule allein nie geleistet werden können. Für sie haben 
sich einige ihrer führenden Lehrkräfte ein freieres Reich in der „Wiener 
Werkstätte" geschaffen. Dort haben Hoffmann, Moser und später auch 
Czeschka jene beispielgebenden Leistungen hervorgebracht, von denen sich 
unsere heutige Erkenntnis über die Möglichkeiten lebendiger gewerblicher 
Edelarbeit herschreiben. - 
Die Erkenntnis von der Wichtigkeit der Werkstatt neben dem Zeichen- 
und Vortragssaal ist also längst wiedergewonnen. Aber die Werkstatt selbst 
fehlt uns. Wir haben keinen Platz für sie. 
Weite Gebiete gewerblicher Tätigkeit bleiben derzeit in der Kunst- 
gewerbeschule unbehandelt. So die ganze Metallbearbeitung; also das
	        
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