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cum grano salis anwenden. Man muss sie auf ihre bescheidenste Form
zurückzuführen wissen und das weglassen, was bereits Altarsbhmuck und
nicht mehr Rahmen- oder Bilderschmuck ist. Moderne Gothiker irren
hierin häufig; sie suchen hierin namentlich die obere Hälfte des Rahmens
zu absonderlich zu bilden, theils indem sie dieselbe nach dem Muster
des Spitzbogenfensters gestalten und mit Massstab erfüllen oder indem
sie den oberen Theil des Bildes mit durchbrochen geschnitztem Ornament
überziehen, auch die oberen Ecken mit Stäben winklich abschneiden. -
Sehen wir von den Altären ab, so finden wir die Bahmenbildungen im
Mittelalter äusserst einfach gehalten. Man nehme z. B. die kleinen Dipty-
chen und Triptychen von Elfenbein oder die Spiegelkapseln aus dem-
selben Material; ihre Umfassungen sind fast durchgängig nur schlichte,
schmale Bänder. die keinen andern Zweck haben, als das vertieft in der
Mitte liegende Relief zu schützen. Einige Motive könnte man vielleicht
manchen reicher geschmückten Bueheinbanden des Mittelalters entnehmen,
solchen nämlich, deren Verzierung in einer die vier Seiten umgebenden
{lachen Randleiste mit durchbrochen geschnittenem Ornament besteht,
während die Ecken mit Reliefmedaillons, die z. B. die Symbole der vier
Evangelisten enthalten, verziert sind. Solche Beispiele sind aber selten.
Die meisten und entsprechendsten Motive zur Profilirung einfacher
gothischer Rahmenbildung wird man wohl den späteren mittelalterlichen
Wandvertäfelnngeu entnehmen können. Hier findet man auch die Ab-
schrägungen des unteren Randes, wie sie als Wasserschläger an den
Fenstern vorkommen.
Die eigentliche Entwicklung der Bilderrahmen beginnt naturgemäss
erst mit der Entwicklung der Staffeleimalerei überhaupt, also im Laufe
des fünfzehnten Jahrhunderts. Während in den Niederlanden aber die
Formen in dem genannten Jahrhundert noch von der Gothik beherrscht
waren und sich zudem von der Verbindung mit den Altären loslösen
mussten, treten in Italien verschiedene Momente neugestaltend hinzu.
Das ist weniger die Kunst der Holzmarqueterie oder Intarsia, welche
bei den Möbeln in Füllungen, sowie auf Stab- und Rahmenwerk, beson-
ders auch als Fassung der kleinen mit Elfenbeinreliefs ausgefüllten Altäre
längst in Gebrauch gewesen war, als die hohe Ausbildung, welche die
ornamentale Sculptur, besonders im Flachrelief, genommen hatte. Die
Intarsia scheint bei Bilderrahmen wenig Anwendung gefunden zu haben.
Mehr vielleicht mag der kräftige Naturalismus von Blumen und Früchten
Rückwirkung gehabt haben, wie er auf den farbigen Terracottarahmen
die Reliefs aus der Werkstätte der Della Robbia umgab oder wie ihn
Ghiberti bei lden Umfassungen seiner Bronzethüren ebenso schön wie
reich in Verwendung gebracht hat. Indess scheint er bei den Bil-
derrahmen in keinem Falle so bedeutend gewesen zu sein wie der
Einfluss, den die reizenden und zierlichen Sculpturornamente der Früh-
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