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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1874 / 106)

Btilttt zu Nr. m6 der „Mitteilungen des t. k. lleslerr. Museums". 
Aufschwung und die Weitere Entwickelung der durchhrochenen "Lingeriew 
von Venedig aus beim Durchbruch des neuen Styls ihren Anfang nahm, 
so könnte hier wohl die Frage eine Stelle finden: ob sich denn nicht schon 
früher an älteren Originalstickereien des Mittelalters Beweise ausfindig 
machen Iiessen, dass die Technik der durchbrochenen Nadelarbeiten in ihrer 
Verbindung mit Leinengeweben schon lange vor dem Auftreten der oben 
gedachten venetianischen Kunstindustrie im christlichen Abendlande gekannt 
und geübt worden sei? Wir antworten darauf kurz. Weder durch Angaben 
älterer Schriftsteller, desgleichen durch Andeutungen mittelalterlicher 
Schatzverzeichnisse, noch auch durch Auffindung älterer Originalspitzen 
ist, soweit heutedie archäologische Kenntniss reicht, der stricte Beweis 
zu erbringen, dass man ebensowenig in der gothischen, als auch in der 
romanischen Kunstepoche das eigentliche Spitzen- und Kantenwerk in seiner 
weiteren Entwickelung als dentelles, guipures, d. h. Spitzen als reines 
Nadelwerk (point ä Faiguille) und Kanten als Klöppelarbeit (_faites au 
coussin, au fuseau) gekannt und geübt habe. Nur zwei oder drei Arten 
von Weisszeugarbeiten waren noch vor dem Aufblühen, das die Spitzen- 
fabrication mit dem XVI. Jahrh. in der Lagunenstadt nahm, im westlichen 
Europa, namentlich in Nonnenklöstern gekannt und geübt, wie das ältere 
Originalstickereien des XIII. und XIV. Iahrh. in durchbrochener Leinen- 
arbeit beweisen. Es waren dies Netz- oder Maschenarbeiten, lacis, auch 
Filetwirkereien oder Filochirarbeit genannt, welche mit eingewirkten dich- 
ten Musterungen ausgefüllt wurden. Das Kensington Museum zu London 
besitzt unter Anderm ein prachtvolles Altartuch mit quadratisch eingesetz- 
ten Filetstickereien, abwechselnd mit Quadraturen von dichten Leinen- 
stoffen. In den grossen Quadraten des Netzwerks sind durch points 
comptäs Wappen und heraldische Thiere eingewirkt, die ihrer Stilisirung 
nach offenbar der letzten Hälfte des XIII. Jahrh. angehören. Auch finden 
sich in unserer Sammlung unter Nr. x und y unscheinbare Ueberreste 
von Netzstickereien in Seide vor, welche mit eingestickten Wappen und 
mit charakteristischen für das XIV. Jahrh. bezeichnenden Ornamenten ver- 
ziert sind. Ferner hat unsere Sammlung einen merkwürdigen Ueberrest 
von Filet und Maschenarbeit (Iacis) in groben Leinfäden aus dem Beginne 
des XIV. Jahrh. aufzuweisen (vergl. Nr. 4 des Katalogs), welcher mit 
früh mittelalterlichen, kreuz- und rnäanderförmigen Musterungen en point 
comptä bestickt ist '). Ferner linden sich auch diesseits der Berge noch 
aus dem Mittelalter einzelne Ueberreste von d jour durchhrochenen und 
im Knopflochstich umstickten Weisszeugarbeiten vor, namentlich an Cor- 
') Diegqlbßn sind. qbgebildet bei Mrs. Bury Palliser, Histoirc d: la dentelle, 
Fig, 5 und 6. 
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