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Volltext: Wiener Porzellan: Original, Kopie, Verfälschung, Fälschung

Im Folgenden weist Hannover allerdings auch darauf hin, daß Meißener Porzellan in 
mehreren thüringischen Fabriken und bei Samson imitiert wurde. 
Sicher hat Hannover recht, wenn er mehrere Fälschungszentren nennt. Er gibt leider nicht an, 
warum er die Möglichkeit in Betracht zieht, daß die, .Crinoline groups”, die Krinolinengruppen, 
in Potschappel entstanden seien. Dies wäre ja auch für unsere Krinolinenfigur (Farbabb. 1, 
S. 17) interessant. 
Mit der Imitation Meißener Porzellane hat Hannover allerdings recht. In dem bereits erwähn 
ten Firmenkatalog von Thieme finden wir Modelle, deren Ähnlichkeit mit Meißener Figuren 
frappierend ist; die Abänderungen sind so minimal, daß sie kaum ins Gewicht fallen. Erwähnt 
sei nur das Schäferpaar Nr. 6592 und 6593, das fast identisch mit den beiden Meißener Mo 
dellen ist (vgl. Rückert 1966, Nr. 1006, 1007) oder das Musikantenpaar Nr. 1169 und 1170 
(Rückert 1966, Nr. 987). Aber nicht nur Meißener Modelle imitierte die Firma Thieme, sondern 
auch englische Figuren, wie wir bereits nachweisen konnten (s. S. 116). 
Herrn Manfred Süß, einem Nachkommen der ehemaligen Firmeninhaber, verdanke ich eini 
ge sehr wichtige Angaben, die sich sowohl auf das Produktionsprogramm von Thieme als 
auch auf die Mitarbeiter beziehen; darüber hinaus informierte er mich über Details, die die 
Fabriksmarken betreffen (briefliche Mitteilung 20.5.1976); ,,Der Schwerpunkt bei der Ferti 
gung von Porzellan in der Wiener Manier lag bei Prunktellern, sowie Zier- und Prunkvasen in 
allen Größen. Aufgrund der Tatsache, daß in der Fabrik - bzw. auch für die Fabrik - einige 
Maler arbeiteten, die in der Lage waren, erstklassige Bilder auf Porzellan zu erstellen - vor 
wiegend Kopien alter Meister -, finden sich die bedeutendsten Stücke auch im Bereich von 
Nachahmungen Wiener Porzellans der Sorgenthal-Periode. Teller und kleinere Ziervasen 
mit Motiven wie Porträts von Napoleon, Josephine, Madame Pompadour etc., wie auch zahl 
reiche Madonnenbilder, zählten fast schon zum Standardprogramm. Hinzu kam natürlich 
noch der für Wien typische, aufwendige Goldrelief-Dekor. Gleichsam .Superstücke' müssen 
jene Prunkvasen (10 Stück, 120 cm hoch, mit Bronzemontierung) gewesen sein, die jedoch in 
den Musterlagern der Firma aufbewahrt, also nicht für den Verkauf bestimmt waren; ebenso 
Dutzende von Tellern, die, wie auch die Vasen, mit Bildern nach den Vorlagen bekannter Mei 
ster bemalt waren. Der Herstellungspreis für einen solchen Teller lag bei ca. 150 Goldmark, 
was für die damalige Zeit ein stolzer Betrag war, zumal das Preisniveau der Potschappeler 
Manufaktur eher ziemlich niedrig lag, trotz der guten Qualität der Ware. Über den Verbleib 
dieser exzeptionellen Stücke kann ich keine Angaben machen, da meine Großeltern den Be 
trieb fluchtartig verlassen mußten, wie auch ihr Zuhause, und nicht eimal persönlichste Dinge 
mitnehmen konnten. Das Musterlager ist von der folgenden Leitung des jetzt volkseigenen 
Betriebes zum größten Teil nach dem Westen verkauft worden ... 
Schließlich wurden auch noch zahlreiche figürliche Porzellane hergestellt, die nach Wiener 
Originalmodellen geschaffen wurden. Sie finden sich allerdings sehr selten gleichzeitig mit 
der Wiener Marke.” 
Zur Identifizierung der Thieme/Potschappel-Porzellane in Wiener Manier schreibt Manfred 
Süß: ,,Bei den zum Verkauf gelangten Stücken, soweit sie sich heute noch im Kunsthandel be 
finden, sind es vorwiegend diese im Stil der Sorgenthal-Periode gefertigten Porzellane mit 
den qualitätvollen Bildern und Golddekoren, die zu einer Verwechslung mit echtem Wiener 
Porzellan führen könnten, und da natürlich auch nur durch nicht so bewandertes Publikum. 
Diese Stücke tragen neben dem imitierten Bindenschild auch noch die für echtes Wien üb 
liche und kennzeichnende Bezeichnung des Motivs auf der Unterseite des Porzellans in roter 
oder schwarzer Schrift. Irgendwelche Ziffern etc. wurden nicht bewußt in die Masse 
eingeritzt. Es sollten ja Imitationen und keine Fälschungen sein. Ich bezweifle auch, daß die 
verwendeten Dekore und Bilder sich in exakt gleicher Ausführung auf den echten Wiener 
Porzellanen gefunden haben, wobei meine Kenntnis über Wiener Porzellan natürlich nicht so 
groß ist. Im Vordergrund stand eben doch nur die Herstellung von Porzellan unter anderem 
auch der Wiener Manier. 
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