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Volks- und Bürgerschulen. XIII. Blindenunterricht.
det sich auch die aus Wachs bossirte Büste der berühmten Blinden Maria
Theresia von Paradies, Tochter eines österr. Regierungsrathes, welche am
15. Mai 1759 zu Wien geboren und am 1. Februar 1824 daselbst gestorben
ist. Die Ausstellung der Büste dieser wissenschaftlich und musikalisch in
hohem Grade gebildeten Blinden hat ihre volle Berechtigung in dem Umstande,
dass sie vor dem Bestehen irgend einer Blindenschule in der Welt manche
Lehrmittel zu ihrer eigenen Schul- und Kunstbildung ersonnen und durch die
glänzenden Erfolge der letzteren auf ihrer Kunstreise im Jahre 1784 in Valen
tin Haüy zu Paris den durch andere Blinde schon angeregten Entschluss zur
Gründung der ersten Blinden-Bildungsanstalt der Welt zur Reife brachte. 1 )
Mit der Büste dieser merkwürdigen Blinden ist in einer hölzernen Cha-
touille das Stammbuch derselben ausgestellt, aus welchem zwei Blätter (nebst
ihrem Bilde) den Deckel der Chatouillc zieren. Das eine ist von Denis und
lautet:
Das Dunkel hebt der Nachtigall Gesänge,
Wie Deiner Saiten zaubervolle Klänge,
Obschon der Tag von Deinem Spiele wich.
Homer und Ossian und Milton tröste Dich!
Wien, den 30. März 1790.
Das zweite Blatt schrieb ihr der gleichfalls blinde Dichter Pfeffel. Es
lautet:
Noch gestern nannt’ ich dich Therese,
Doch heute tauft mein Herz Dich um:
Heut’, da ich ganz in Deinem lese,
Führ’ ich Dich in das Heiligthum
Der Sympathie, an die wir glauben.
Hier weih’ ich Dich zur Freundin ein;
Und könnt’ ich Dich der Mutter rauben,
Du müsstest mir auch Tochter sein.
Büste und Stammbuch wurden von einem Verwandten der Blinden dem
Linzer Blmdenmstitute mit einer in der Lade der Chatouille aufbewahrten Zu
schrift vom 20. December 1836 zum Geschenke gemacht.
d) Vom Blindeninstitute nächst der hohen Warte in Döbling.
Auch das erst vor wenigen Monaten eröffnete israelitische Blindeninstitut
ist in der Collectiv-Ausstellung des k. k. Unterrichts - Ministeriums vertreten,
und zwar durch einen recht praktischen Apparat zum Zifferrechnen für Blinde
von dem dirigirenden Oberlehrer desselben, Herrn Leopold Oesterreicher.
Es ist diess ein hölzerner Kasten, innen mit Fächern für tastbare Ziffern und
Zeichen auf Metallplättchen mit Stielen, oben mit einem in die Einschnitte der
Seitenwände einzuschiebenden metallenen Deckel, der von oben bis unten mit
Reihen viereckiger Ausschnitte versehen ist, in welche der Blinde alle Rech
nungs-Operationen so ausstecken kann, wie sie der Sehende auf seiner Tafel
oder auf Papier schreibt.
I ! ) . NyhereS Über dleselbe in 1 W ‘ Klein ’ s i,Lehrbuch zum Unterrichte der Minden”. Wien