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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 212)

lebige Raphael entgegen wie ein heiterer Frühlingstag dem langen Winter, 
wie ein warmer, milder Sonnenblick auf liebliches Hügelland dem gran- 
diosen Aufruhr der Elemente während eines Gewitters im Hochgebirge. 
Schier mühelos scheint Raphael zu schaffen, ohne Rast, aber ohne Er- 
müdung, von allen Seiten Schönes in sich aufnehrnend und zu Schönerem 
und Schönstem gestaltend. Zwar sind wir heute zurückgekommen von 
der abgöttischen Raphael-Verehrung der Zwanziger und Dreißiger Jahre, 
doch fehlt es aüch heute nicht an Stimmen, welche den Höhepunkt aller 
Malerei in RaphaeYs reifen Werken erblicken. 
Den großen Raphael also zu ehren, sind wir heute versammelt. 
Wir feiern heute den vierhundertsten Jahrestag seiner Geburt. Warum 
aber gerade heute, erst heute am 6. April? Warum geschah dies nicht 
schon am 28. März, wie man es in Italien und in Frankreich gehalten 
hat? Dieses ist eine Frage, welche hier zu erörtern nicht umgangen 
werden kann. 
Vom ästhetischen Standpunkte aus betrachtet, kann Nichts gleich- 
giltiger sein als die präcise Feststellung des Geburts-Datum eines Künstlers. 
Wenn der Aesthetiker über den Zeitpunkt der Entstehung wichtiger un- 
zweifelhaft echter Werke unterrichtet ist und weiß, wie alt ungefähr der 
Künstler damals war, als er diese Werke schuf, so mag ihm das genügen. 
Anders für den kritischen Forscher, anders auch für Denjenigen, der eine 
Biographie oder auch nur einen kurzen Lebensabriss eines Künstlers geben 
will, wie ich letzteres bezüglich RaphaePs heute zu geben beabsichtige 
und wie es sich zur Erinnerung an den großen Todten an diesem Orte 
wohl geziemt. Da muss man doch, sollte ich meinen, gleich den Anfang 
mit Genauigkeit behandeln. 
Dass sich die Frage nach Raphael's Geburtstag nicht so leicht und 
so rasch, wohl auch nicht mit unbedingter Gewissheit beantworten lässt, 
ist Ursache davon geworden, dass man in der Literatur eine Reihe 
dilferenter Angaben zu lesen bekommt. ln manchen modernen Raphael- 
Biographien, bei Ant. Springer und Eug. Muntz, finden wir den 28. März 
als Geburts-Datum. Andere Kunsthistoriker dagegen, wie Moriz Thausing 
im lll. Bd. des Rep. f. Kunstw. und vor Kurzem in einem Feuilleton der 
"Deutschen Zeitungu, endlich in neuester Zeit auch Herrn. Grimm in der 
nNational-Zeitungß vom 25. Februar laufenden Jahres haben sich mit aller 
Bestimmtheit für den 6. April ausgesprochen. '_ 
Ueberblicken wir rasch die wichtigste Literatur, welche sich mit dem 
grossen Maler beschäftigt, und suchen wir aus derselben die nöthigen An- 
haltspunkte heraus für die Beantwortung der Frage nach Raphael's rich- 
tigem Geburtstage. In der ältesten Raphael-Biographie von Paolo Giovio 
Enden wir Nichts, das auf unseren Gegenstand Bezug hätte. Auf Vasari's 
hochwichtige Angaben werde ich gleich zu sprechen kommen. Unter der 
späteren Literatur will ich als bedeutend hervorheben: Pungileoni, der 
viel trelfliches Material zum Leben des berühmten Urbinaten und besonders
	        
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