EINZIGE BAROCKE BILDERGALERIE IN WIEN
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liinc sehr chawkteristischc Erscheinung spätbarockcr Kunst-
tätigkcit ist die Schaffung von Gesamtdekorationen, Gesamt-
hciten von Arbeiten verschiedener Kunstgattungen, die sich einer
architektonischen Ordnung fügen. Zwar stehen die Einzelstücke
dieser Dekoration in einer dem architektonischen Gesamtkonzept
untergeordneten, dienenden Stellung, aber dieses selbst ist eben
auf das Zusammenwirken dekorativ aufgefafiter liinzelglicder
aufgebaut, wodurch im Gesamteindruck diesen eine ausschlag-
ie mit Stillcben und Landsehaftslzildern.
Bildwand in der (Jal
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gebende Bedeutung zukommt. Die hiemit außerordentlich enge
Bindung der Teile zueinander und zu dem architektonischen Ge-
rüst bestimmt nicht nur das lintstelten netter Innendekorationen
mit eigens dafür geschaffenen XVerken der Malerei, Plastik ttnd
des Kunstgewerbes, sandern auch die bedeutenden Ncuaufstel-
lungcn von älteren, gar nicht für den dekorativen Zusamnten-
bang gedachten Beständen der Kunstsammlungen und (iemiilde-
galerien dieser Zeit. Es ist ver itndlich, daß gerade diese Lei-
stungen spiitbttrocker Innenarchitektur von spiitc en Genera-
tionen, dic die hier verwendeten liinzelkunstxxtcrke als lteraus-
gelöste Blickpunkte künstlerischen und wissenschaftlichen ln-
teresscs geachtet wissen wollten, fast durchwegs vernichtet
worden sind.
Die Bedeutung des Ensembles der Marmorgttlerie des Palais
Schvttztrzenbtßrg, die den ursprünglichen liindruck vollständig ge-
wahrt hat, ist daher besonders hoch zu werten. Die Anordnung
der Bilder entspricht stilistisch genau der ungcilihr gleichzeiti-
gen Aufstellung der Kaiserlichen (ialcrie in der Stallburg, über
die wir durch zeitgenössische Abbildungen, vor allem das Bild-
inventar Storffers gut unt' ebtet sind. Selbst die einh "tliche
Rahmung der einzelnen Bilder ist von größter Ähnlichkeit,
wie uns das 'l'ltetttrum artis picttiriae von Prenner 1728 be-
weist.
Weit entfernt von der Idee der Bildergalerie dcs 17. jahrhun-
derts, etwa der des lirzherzogs Leopold Wilhelm in Brü sel, die
eine Sammlung ohne Rücksicht auf den Gesttmtttspekt, eine
Addition von wertvollen Einzelstücken gewiesen ist, stellen die
Galerien der Zeit Karls VI. ein einheitliches Repriisentatiotts-
stüek dar, das sich aus den kostbarsten linzelteilen zustmnien-
setzt, eine als (iesamthcit bewullte Galerie, in ihrem li iekt eine
Galerie-Architektur.
Das architektonische Gerüst ist in verhältnismäßig schwachem
Relief gestaltet, sodaß die Wandflitche stark betont is In einem
strengen Muster sind die Bilder in die vorgesehene I-lache einge-
spannt. Das Format der Bilder wird zu einem überaus wichtigen
Kriterium ihrer Anbringung ttnd es muBten nicht wenige Bilder
der kaiserlichen Galerie zugunsten des Gcsttmtaufbttues eine
Formatisierung erdulden. Diese Anordnung ist dem einzelnen
Bild, insofern es die Illusion eines Tiefenrattmes bedeutet, gar
nicht entsprechend, während zwangsläufig die malerische Ge-
staltung der Bildfläche, vor allem die Wirkung des Kolorits, be-
günstigt wird. Der dekorative Gesamteffekt im Großen von der
XVcite gesehen und eine möglichst kostbare malerische Ober-
fläche von der Nillte betrachtet, sind die günstigsten Wirkungen
einer solchen (Jalettie. Namentlich die beiden seitlichen "Teile der
Schwarzenbetigsehen Galeriewztntl zeigen den gelungenen deko-
rativen Charakter, der vor allem durch die nthsichtigcn, farbig
wirksamen und in der Tiiefenrttutnillusion seichten Stillebcn und
Tierstücke bestimmt wird. Hier trifft sich das nette dekorative
Schaffen mit einer Wandlung des Geschnr kes im Bildersatti-
meln, die sich seit der zweiten lliilftc des 17. jahrhunderts all-
mählich bemerkbar macht. Immer mehr treten die niederländi-
sehen Meister als Gegenstand der Sammeltiitigkcit in den Yor-
dergrund, in dentselben Maße, als das Interesse an der maleri-
schen Obcrfläehcngestaltung bci den spätbarocken Malern steigt,
und in demselben Mali als die Konzcttttwttion auf die Durchge-
staltung des Körperlichen, die große Bewegung im Raum schwin-
det, läflt das Interesse am Sammeln italienischer Werke und
schließlich sogar südniederliindiseltt-t" Malerei allmziltliclt nach.
Seit dem 1h. Jahrhundert beginnt ' ich in Ostcrrciclt die hollittt-
dische Malerei immer mehr gcschatzt zu werden, wie auch ihre