sammenleben mit den Bauern z. B.: „...Einer-
seits haben sie eine gewisse Noblesse, einen
bäuerlichen Adel, aber dann sind sie auch wie-
der sehr zügellos. Plötzlich kann ein Knall los-
gehen, irgendein Streit." Und vor allem das
Malen war nicht einfach: Die Motivsuche mit
schwerem Malgepück in der unwegsamen Natur
war nicht nur anstrengend, sondern enthielt audw
echte Gefahr. „lch bin mitten im Anfangen,
in der Wildnis, auf gefährlichen Wegen, mit
lästigem Gepäck."
Nach einer Krankheit im Jahre 1967, die das
Herz in Mitleidenschaft zog und ihn sehr schwäch-
te, mutete er sich danach wieder viel zu, er er-
ging sich seine Motive, lehnte iede technische
Hilfe ab, wollte allein sein mit der Natur und
fühlte sich wohl zwischen Schluchten und Dornen.
„Darf ich nicht mehr in meine einsamen Täler
und auf die Höhen gehen, im Meer zum Hori-
zont schwimmen? Es war ia für mich ein ver-
tieftes Leben, wie ich es so noch nicht kannte.
Freilich auch mit vertieften Antrieben, die ich
nicht verlieren kann. (Audi die Begrenztheit mei-
dem Rahmen vergleichbarer künstlerischer Tätig-
keit. Nicht die Auseinandersetzung mit Kollegen
und Publikum suchte er, sondern ausschließlich
die mit der Natur als seinem Element. Tiefe
Beziehung hatte er zu seiner Familie, zu seiner
Frau und seinen drei Kindern und zu einigen
wenigen Freunden, die er vor allem durch viele
Briefe lebendig hielt. Aber für seine Kunst war
ihm die Einsamkeit wichtig, nur sie konnte
ihm die Voraussetzung geben für ein so großes
Werk, für ein so konzentriertes Arbeiten. Ob-
wohl ihm die Einsamkeit auch zu schaffen mach-
te, auch die Schwierigkeiten mit der italienischen
Sprache, die ihm manchmal mehr, manchmal
weniger Kontakt ermöglichte, er hatte sich für
sie entschieden, weil er sie brauchte.
In einem Alter, in dem sich andere zur Ruhe
setzen, gelang es Eduard Bäumer noch einmal
mit der Vitalität und Frische eines iung ge-
bliebenen Menschen, Bild um Bild zu malen
und eine künstlerische Form zu finden, die
fernab von Vorbildern oder gar Klischees, weit
weg von Modernismen, ein ganz persönliches
das gut in dieser Schnell- und Großmalerzeit.
lch suche vor allem meine alten Plätze wieder
auf, und es werden doch andere Bilder."
Bäumer wiederholte auch sehr viel, und er wollte
es immer besser machen. „Es sprechen auch
die Unterschiede, nicht die Bilder allein. Das
sind dann die Schritte sozusagen. lch male
ein Bild, mache einen Schritt und gehe zum
nächsten Bild. Das Leben wird sehr einfach
dadurch." G968.) „lch glaube, in der Arbeit
sollte man sich zwischen Hochgemutheit und
Demut bewegen, hat man vom einen zuviel,
so muß man das andere zu Hilfe nehmen."
Die Enttäuschung beim letzten Aufenthalt 1975
in Tropea waren die Veränderungen. Früher ein
altes, vertröumtes, heruntergekommenes kleines
Städtchen, wurden auch hier Hotels gebaut, Tou-
risten kamen, Restaurants entstanden, und das
Leben wurde laut und hektisch. „Mein früher
Morgengang berührte mich ähnlich wie früher.
Aber die lieben armen kleinen Häuser ver-
schwinden bald ganz, und hohe Kästen stehen
auf. In der Kirche neue Bänke und Beichtstühle
nes Lebens ist mir viel deutlicher)." (1967.)
Aber er gewöhnte sich an seine Schwäche, und
so fuhr Böumer weiter Jahr für Jahr nach
Kalabrien, um für Monate dort zu bleiben und
sich seiner Arbeit zu widmen. „Körperlich fühlte
ich noch manchmal meine Schwäche, aber ich
lerne damit umzugehen, so daß es mich kaum
stört. Zweimal fiel ich auf schlechten Wegen,
aber es ging gut aus. Ich bin bestimmt nicht we-
niger froh als ich es war mit mehr Kraft und
Geschicklichkeit. So kann ich Gott aus vollem
Herzen danken." (1967.)
Aber Bäumer verwendete nun öfter Ölkreiden,
um sein Gepäck leichter zu machen - so ent-
standen großformatige Kreidebilder mit der
gleichen, beinahe unbekümmerten Farbigkeit und
mit der großzügigen Komposition wie die Öl-
bilder, über die Johann Muschik einmal schrieb;
„Die Frische und Unmittelbarkeit seiner Bilder,
ihr großer packender Rhythmus, ihr rhythmisches
Feingefühl, ihr geordneter Bau, auch ihre Rein-
heit, ihr Schimmern und Leuchten, das ist alles
von iener höheren Art, die ein Maler nicht aus
der puren Einfalt schöpfen, sondern merkwürdi-
gerweise nur auf der Grundlage vielfältiger,
bewöltigter Erfahrungen entwickeln kann."
Bäumers Art zu leben und zu arbeiten fiel aus
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schöpferisches Bekenntnis darstellt. „Nach man-
chen Gesprächen denke ich, wenn man auch
manches dabei gewinnen mag, man muß seinen
eigenen Weg gehen und nicht zuviel auf andere
sehen. Ich gehe nach meinem Herzen, hob' keine
Beweise, daß mein Weg richtig ist. Eher im
Gegenteil sehe ich manches Fragwürdige. Vor
allem in mir drinnen. Geduld und Liebe und
Großmut und Liebe" (1958).
Poesie und Realität - zwischen diesen beiden
Polen vollzog sich Bäumers Leben. Er behielt
den „Kindersinn der Menschheit", einen Glauben,
der sich nicht auf dogmatische Enge festlegen
ließ, sondern der aus seiner tiefen Verbunden-
heit mit der Natur kam und aus seiner Hoffnung,
immer mehr in der Liebe zu leben. Das Bewußt-
sein des Todes war für ihn so nahe wie das Be-
wußtsein des Lebens, beides gehörte für ihn
'zusammen als ein untrennbares Ganzes. Über
zehn Jahre war ihm der Tod nahe, er lebte mit
ihm, er integrierte ihn in sein Denken und
Handeln. „lch werde jedenfalls dankbar ster-
ben", schrieb er 1969. „Nur nebenbei muß man
daran denken. Mehr wie ie habe ich ein Bedürf-
nis zum Tun. Ich spürte Schwäche, aber wenn
mich eine Arbeit freut, wüßte ich nicht, was mir
fehlt. Weniger mache ich, aber vielleicht ist
und nur halb so viele Gläubige. Seit 1957 komme
ich hierher. In der Zeit hat sich die Welt unge-
heuer verändert. Jeder von uns muß seine Schlüs-
se daraus ziehen, so oder so." (1975). „Das,
was ich hoffe und glaube ist, daß wir auf unse-
rem Weg dazu kommen werden, daß alles
eine Einheit wird. Das, was uns abhält, ist die
Zersplitterung, und wie schrecklich bedroht sie
uns alle. Das ist das Chaos wie ich es erfahre. Da
fällt mir aber etwas von Nietzsche ein: ,Chaos
muß sein, damit ein Stern geboren werde.' Wir
müssen hindurch, können nicht darum herum.
Und das ist auch schön, wenn wir ein Ziel wissen."
Aber doch war Bäumer zunehmend schwächer
und die „Mühsale des Alters" spürte er so-
wohl wie das Nachlassen der schöpferischen
Kräfte. „Es ist eine Zeit voller Probleme, und ich
schwach, die Pinsel stumpf". Zunehmend be-
schäftigte sich Böumer in seinem Salzburger
Atelier, ordnete die Arbeiten, klebte Bilder auf
Karton, malte auch noch Neues und korrigierte
an alten Werken.
„Der Tag vor dem Tag" war für Böumer
eine Zeit der Kraft und der Schönheit. Gerne
stand er sehr früh auf und war in der Morgen-
frühe mit sich Iund seinen Bildern allein.
„Ein großes Bild hängt mir gegenüber, an dem