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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 2

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Am Tage vor der Trauung stellen sich der Bursche und das Mädchen dem Geistlichen 
vor. zur „Censur"; da müssen sie sich nämlich aus der Religionslehre prüfen lassen. Dem 
Mädchen macht das nicht viel Sorge, denn sie ist fleißig zur Schule und Kirche gegangen 
und hat auch nicht viel Zeit gehabt, zu vergessen; dem Burschen aber kommt die Sache 
oft sauer genug an. er kann nicht alle Gebete auswendig und nimmt daher bei Zeiten ein 
paar Privatstunden bei dem Herrn Beistand oder einem andern Schriftkundigen, um 
nicht etwa gleich ini Vaterunser stecken zu bleiben. Übrigens halten es auch die Beistände 
für ihre Pflicht, dein Seelenhirten gegenüber die weltliche Gebrechlichkeit des Burschen 
soviel als möglich zu stützen und zu flicken. Bei dieser Gelegenheit überreicht die Braut 
dem Geistlichen ein eigenhändig gewebtes Linnentnch als „Lösung des Jungfern- 
kranzev . Ten Polterabend (die Nacht vor der Hochzeit) bringen die Kameradinnen der 
Braut bei ihr zu; dieser Brauch aber (das „Maidnachten") wird nur mehr an wenigen 
Orten geübt. 
Am Hochzeitsmorgen (mitunter schon am Tag vorher) erscheinen die Beistände 
des Burschenhauses im Müdchenhause, um die Braut „ausznbitten". In Versen oder 
Prosa recitiren sie gewandt die Geschichte von der Begegnung des Knechtes Eliezer mit 
der schonen Tochter Bethuels, was ein Gleichniß sei für ihre eigene dermalige Sendung. 
Mit den ungarischen Beiständen ist aber nicht so leicht umzuspringen, als seinerzeit mit 
Bethuel. Denn so gern auch die Braut bereit wäre, dem treuen Eliezer zu folgen, ihre 
eigenen Beistände legen ihr so viele Hindernisse in den Weg. daß ihr. wenn sie sie nur 
gelesen hätte, gewiß die Worte des Dichters einfallen würden: „Die Ehen werden 
zwar im Himmel geschlossen, die Ceremonien dazu hat aber der Teufel erfunden." 
Ans die wohlgeschniegelte Anrede des „ausbittenden" Beistandes entgegnet der 
„herausgebende" Beistand trocken: „Heraus geben wir sie. aber nur für Geld." — „Wenn 
es nur Geld kostet", versetzt der Herausgeforderte und greift unverweilt in die Tasche seines 
Mantels, aus der er eine Handvoll Scheidemünzen herausholt und auf den Tisch legt. — 
„Das ist kein Geld", sagt der „Herausgebende" geringschätzig, „ich seh' es ja von hier aus. 
Kreuzer und Sechser hat jedes Kind. Wir brauchen Geld". Nun beginnt der „Ausbitter" 
neuerdings im Ärmel seines Lodenmantels hernmzustöbern und es gelingt ihm wirklich, 
das bar mitgebrachte „Geld" ans Tageslicht zu fördern. (Es ist die kleinste Münzeinheit 
aus der Zeit Maria Theresias.) „Da habt Jhr's!" — „Gut, jetzt geben wir das Mädchen 
heraus, aber sie darf nur bis zum Hausgang gehen. Unser Mädchen ist so zart gewöhnt, 
daß sie keine bloße Erde betritt. Vom Gang bis zur kleinen Thür müßt Ihr ihr den Weg 
mindestens mit Kreuzern belegen. Wir verlangen nicht einmal viel. Der erste Schritt ein 
Kreuzer, der zweite zwei, und so fort jeder weitere Schritt das Doppelte des vorher 
gehenden. Achtzig Schritt sind das Ganze. Ihr werdet dran nicht sterben."
	        
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