Abb. 12. Stephansdom, Relief (aus der Leidensgeschichte Christi) an der Südseite des Chores.
A. GEBÄUDE FÜR KULTUSZWECKE.
I. KATHOLISCHE KIRCHEN DES MITTELALTERS.
Gering ist die Zahl der Kirchen Wiens aus romanischer Zeit und wenig bedeutsam sind
sie ihrer baugeschichtlichen Stellung nach. Nicht nur äußere Gründe, wie Verheerungen späterer
Zeiten, auch innere Gründe erklären diese Erscheinung. Wiens Bedeutung in den ersten Jahr
hunderten des Mittelalters war weder in weltlicher noch geistlicher Hinsicht eine solche, daß
es in baulicher Beziehung in den Vordergrund treten konnte.
Nachdem Wien durch fünf Jahrhunderte, vom 5. Jahrhundert bis zum Jahre 1030, in der
awarischen und magyarischen Wüstenei für die Geschichte spurlos verschwunden war, mag es
gegen Ende des 11. Jahrhunderts an den ersten Versuchen des Bischofs Altmann von Passau
zur Einführung einer geistlichen Kultur teilgenommen haben. Selbst während der Zeit eines
beginnenden regeren Kulturlebens unter dem Babenberger Markgrafen Leopold III. blieb immer
noch Melk der geistige Mittelpunkt und Mautern, Krems und Tulln behielten ihre Bedeutung
als Zentren des Handels und Verkehres. Spät erst, um die Mitte des 12. Jahrhunderts, tritt
Wien in den Kreis der Kulturbestrcbungen ein und wird 1156 die Residenz Heinrich Jasomirgotts,
der 1158 das erste Kloster, das Schottenkloster, gründet, und gegen Ende des 12. Jahrhunderts
erhalten wir auch die erste Kunde von einem allmählich erstarkenden Handel und bürgerlichen
Wohlstand. Man muß sich vor Augen halten, daß zur selben Zeit, als Wien noch nahezu
geschichtslos war, gegen Ende des 11. und mit beginnendem 12. Jahrhundert, in den Rhein
landen, in Speier, Worms, Mainz, Laach und Köln die mächtigsten Zeugen deutsch-romani
schen Stiles erwuchsen.
Eine Tatsache von großer Bedeutung für jene Zeit, in der die Pflege der Kunst fast aus
schließlich in den Händen der Geistlichkeit lag, muß hier Erwähnung finden: Wien wurde erst
im Jahre 1469 Sitz eines Bischofs; Prag war beispielsweise schon seit dem letzten Viertel des
10. Jahrhunderts ein selbständiges Bistum. So verging die Zeit des eigentlichen romanischen
Stiles, ohne in Wien bemerkenswerte Spuren hinterlassen zu haben. Das ursprüngliche Schotten
kloster war wohl nur ein provisorischer Holzbau und über den 1147 von Reginbert von
Passau geweihten ältesten Bau von St. Stephan fehlen alle Anhaltspunkte. Von der in einem
Tauschvertrage zu Mautern 1137 als Pfarre bezeichneten Peterskirche ebenso wie von dem in den
Schottenstiftsbriefen von 1158 und 1161 (neben St. Pankraz, St. Maria am Gestade und St. Johann
an der Siechenals) genannten Kirchlein St. Ruprecht behauptet die Überlieferung, daß beide
von Salzburg aus gegründet seien. Die Namen der Salzburger Patrone St. Peter und St. Ruprecht
als Schutzheilige dieser Kirchen geben der Sage einige Wahrscheinlichkeit. Die Peterskirche
stand an der Stelle der jetzigen gleichbenannten Kirche und war, wie aus Wohlmuets Plan von
1547, aus dem Hufnagelschen von 1609 und aus einem Schriftstück von 1676 zu erkennen
ist, von bescheidener räumlicher Ausdehnung, ein Mittelschiff und zwei schmale Seitenschiffe.
Von St. Pankraz ist uns kaum mehr als der Name erhalten und über Maria am Gestade erzählt
die Sage, Fischer hätten das kleine hölzerne Betkirchlein am steilen Donauufer errichtet. St. Johann
an der Siechenals war ein kleines Dorfkirchlein und mußte in der Mitte des 19. Jahrhunderts
dem Neubau des Bürgerversorgungshauses weichen. Erwähnt muß ferner der zweite, um 1200