erweckte, um »diesen Morast von unterdrückten, machthöri
gen Körpern hinter sich zu iassen, und als der allmächtige
Männiiche Schwarze in einer monumentalen Stadt aktiv zu
sein, deren Höhepunkt das Washington Monument ist:
unbeugsam und unverwundbar!«“ In RodForce verdichtete
Fleming die Darstellung männlicher Schwarzer in den Medien
zu einer einzigen, massiven, phallischen Personifizierung von
Stärke: der »gebieterische Intellektualismus von Malcolm X,
der Spiritualismus von Martin Luther King, die emotive Erotik
von James Brown und die physische Leidensfähigkeit des
legendären John Henry«. Fleming erkannte, daß solche Bilder
eine Farce sind, und daß diejenigen, die Medienmythen für die
Kulturkonsumenten erzeugen, auch in der Lage sind, ihre
Helden mit denselben Mechanismen, mit denen sie sie auf
gebaut haben, im Handumdrehen in »negative und mythische
Konstruktionen« zu verwandeln: »in einen gewalttätigen Irren,
einen Frauenhelden, einen fanatischen Partisanen und einen
Plagiator«.**“*
In Something Akin to Uving (1979) blickte das Publikum auf
zwei von hinten mit einem Strahler angeleuchtete dorische
Säulen. Fleming, ein großer, schlanker Afro-Amerikaner, nackt
bis auf einen Federkranz, der seine Dreadlocks zusammen
hielt, und einen um sein Geschlecht drapierten Riemen aus
Silberlame, betrat als RodForce den Raum und stellte sich
zwischen die beiden Säulen.“ Sein Assistent Haig Paul sägte
passende Holzlatten zurecht und steckte sie in verschiedenen
Winkeln zwischen die Säulen und Flemings Körper. Während
der gesamten, fünfunddreißig Minuten dauernden Aktion war
RodForce gezwungen, unbeweglich dazustehen und das
Gewicht dieser lästigen und irrationalen Architektur zu tragen.
Wie ein statischer Jongleur korrigierte RodForce immer wie
der seine Position, stützte das sperrige und zunehmend
schwerer werdende Holzgerüst,’bis er - überfordert und
erschöpft - seinen hölzernen Kerker nicht mehr halten konnte
und die Konstruktion zusammenkrachen ließ, indem er ein
fach davonging.
Die Aktion machte deutlich, wie abstrakte, durch architekto
nische Bauwerke symbolisierte Machtsysteme das Leben
93 Sherman I. Fleming Jr., »Uving in a City of Monuments, Or Why I
No Longer Walk with an Erection«, in: Washington Review, 17, 5,
Februar/März 1991, S. 5.
94 Ibid., S.6.
95 Die Performance fand in der Ateliergalerie von Wayne Higg,
930 F Street, Washington, D.C., statt, in dem Bürogebäude,
das nur kurze Zeit später den »9:30 Club« beherbergte, einen
Veranstaltungsort für Punkkonzerte und Performances.
willkürlich und künstlich reglementieren und in schematisierte
Muster pressen, die die individuellen Bedürfnisse der
Menschen - die solche Muster ironischer- und bedauerns
werterweise selbst immer weiter stützen und aufreohterhalten
- weder stützen noch aufrechterhalten. Durch die Parodie der
sexualisierten Person betont RodForce zum einen, daß es der
Körper ist, der die Last dieser symbolischen Gebäude trägt,
und zum anderen, daß das 'Gebäude der Vereinigten Staaten-
zum Teil durch die Arbeit des schwarzen männlichen Körpers
errichtet wurde, einen Körper, den man damals mythisch ero
tisierte, um ihn zu kontrollieren und zu unterdrücken.
Unterdrückung und Segregation waren die vorrangigen
Erfahrungen in Sherman Elemings Leben, Erfahrungen, die er
in dem Aufsatz »Nigger as Anti-Body« von 1990 genauer
beschreibt. Schon als Junge war er von dem Wort »Nigger«
»besessen«, das er 1962 im Alter von neun Jahren im
Webster’s Dictionary nachschlug und dabei entdecken
mußte, daß »ich es anscheinend mein ganzes Leben lang
schon gekannt hatte«.“ »Ab der vierten Klasse«, schrieb er,
»läutete ich jedes neue Schuljahr ein, indem ich 'Nigger- im
Wörterbuch nachschlug.«“ Aufgrund der Tatsache, daß er an
seiner Junior High School zu den ersten vierzehn Schülern
(unter insgesamt 750) gehörte, die an einem Programm zur
Aufhebung der Rassentrennung teilnehmen mußten, und spä
ter zur ersten Generation der Desegregation in der Virginia
Commonwealth University, wußte Fleming nur zu gut, was
dieser Begriff bedeutet.
Die Aufmerksamkeit, die Fleming der körperlichen »Fitneß« als
mythischem Indikator für die sexuelle Potenz beimaß, antizi
pierte und parodierte überdies den Fitneßwahn der achtziger
Jahre, der den Körper zur Ware werden ließ, wie auch
der »männliche Schwarze« in den Achtzigern und frühen
Neunzigern zur Ware wurde. Richard Powell schreibt,
Flemings Werk habe »das Schauspiel eines wahrgenomme
nen Rassenunterschieds mit Begriffen wie Begehren,
Ansteckung, Verheimlichung und Emanzipation verschmol
zen, und das alles innerhalb seines theoretischen Konstrukts
physischer (wie auch psychischer) Ausdauer«,“ 1987, elf
96 Sherman Fleming, »Nigger as Anti-Body«, in: WhiteWalls, 25,
Frühjahr 1990, S. 54: Sondernummer zum Thema »Art and
Healing«, hrsg. von der Autorin.
97 Ibid., S. 56.
98 Richard J. Poweii, Black Art and Culture in the Twentieth Century,
London 1997, S. 198.