verbinden. Auch von Seite unseres Kaisers wurde Ferstel bei jeder Gelegenheit
ausgezeichnet. In besonders bemerkenswerther Weise trat dies bei dem ersten Be
suche hervor, welchen der Kaiser in Begleitung des Erzherzogs Carl Ludwig
den Cottage-Anlagen in Währing abstattete. Unter den Staatsarchitekten hatte er
zahlreiche Freunde, aber mehrere Gegner, die seine Erfolge beneideten und die
Freimüthigkeit seines Urtheils nicht immer günstig aufnahmen. Die grossen Bau
künstler, welche das heutige Wien geschaffen haben, standen mit Ferstel in regem
Verkehr; speciell waren es Schmidt und Hansen, die mit ihm freundschaftlich ver
bunden waren.
Zwei Fragen beschäftigten ihn in den letzten Jahren in ganz besonders hervor
ragender Weise, nämlich die Stellung der Architekten im Staatsleben und der
Einfluss der Mode auf die Kunst und das Bauleben. Beide Fragen behandelte er
öffentlich und wie alle denkenden Künstler und Kunstfreunde fühlte auch er, dass die
wechselnden Strömungen der Mode an dem gesunden Kern des Kunstlebens nagen
und die Frucht jahrelanger Bemühungen zu zerstören drohen. Ferstel hat daher
am 3. November 1882 im niederösterreichischen Gewerbeverein einen Vortrag ge
halten, in welchem er das Wechselverhältniss von Stil und Mode zum Gegenstände
seiner Besprechung machte. Er bekämpfte bei diesem Anlasse wie in jüngeren
Jahren die Ueberwucherung des Zinshauses, das, man möge was immer für einen
Kunstaufwand bei demselben anstreben, doch immer eine Kaserne bleibt und zu den
ungesunden Verhältnissen des Baulebens gerechnet werden muss. Der Schwer
punkt der Production muss wieder in die Ateliers zurückverlegt werden, die Ateliers
und die Werkstätten müssen wieder die Schulen werden, aus welchen Künstler
und Kunsthandwerker hervorgehen. Wenn heutigen Tags dies der einzige Weg ist,
um das Kunsthandwerk zu dauernder Blüthe zu bringen, so muss auch die Architektur
wieder der Brennpunkt für die ganze Kunstproduction werden, und die künstlerische
Entwicklung der Architektur ist daher für das ganze Handwerk die unerlässliche
Grundlage seiner Entwicklung. Wird die Kunstproduction auf diese seine gesetz-
mässige Bahn wieder zurückgeführt, dann wird auch die Mode ihre gefährliche Macht
verlieren. Diese im Gewerbeverein gehaltene Rede ist gewissermassen als eine Er
gänzung dessen anzusehen, was er bei seiner feierlichen Inauguration als Rector der
technischen Hochschule am 9. October 1880 als die Aufgabe der Architektur be
zeichnet hat. Sich anlehnend an den Ausspruch Sempers: „wir haben wohl Künstler,
aber keine eigentliche Kunst“, entwickelte Ferstel sein Programm über die Ziele
der Kunst in der Architektur. Wir müssen es uns hier versagen, auf die Details
dieser Rede einzugehen.
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