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Gebrauch stand. Der Schlüssel, den der römische Hausherr am Finger
trug, gehörte zu diesem Systeme. Die Collection Dillinger's gibt zahl-
reiche Beispiele sowohl dieses Schlüssels sowie des Riegels mit seinen
Löchern für die Zapfen.
Ein sicheres Kennzeichen für die Zeitbestimmung gewährt allemal
die Kunst, das Ornament, aber wie es scheint, hat sich die Kunst erst
gegen Ende des Mittelalters dieser Gegenstände bemächtigt. Bei allen
älteren Gegenständen unserer Sammlung, bei den ägyptischen wie den
römischen oder denjenigen der römischen Kaiserzeit, ist das Interesse
wesentlich das der Mechanik, und man möchte sagen, dass bis zu diesem
Zeitpunkte, bis zur Völkerwanderung, in den vorausgegangenen Jahrtau-
senden die mechanischen Einrichtungen des Verschlusses schon fast alle
Systeme durchlaufen haben. Nach der Völkerwanderung musste die
Geschichte, wie auch auf anderen Gebieten, fast von neuem anfangen.
Eisen trat völlig an die Stelle von Bronze. Aber wie roh, wie primitiv
geschmiedet, wie simpel in der Form ist Alles in unserer Sammlung,
was der frühmittelalterlichen und der Zeit des romanischen Styles angehört.
Und doch hatte diese letztere Epoche, die des romanischen Architektur-
styles, bereits kunstvoll geschmiedete Gitter und Beschläge.
Das feinere Eisenhandwerk beginnt freilich erst mit der Gothik,
und zwar in ihrer letzten Epoche, also erst im r5. Jahrhunderte. Die
Harnischfabrication, das Plattnergewerbe, das damals seiner Höhe zustrebte,
mag es vorzugsweise gewesen sein, welches der Bearbeitung des Eisens
die wundervolle Technik verschaffte. Nun entstanden auch die zierlich
durchschlungenen Gitter, das durchbrochene Laub, die blumigen Beschläge
mit ihrer gothischen Musterung. Diese Kunst und diese Ornamentik
gingen nun auch auf Schloss und Schlüssel über, die sich vom Ende
des 15. Jahrhunderts angefangen zu wahren Kunstwerken erhoben. Die
Schlossplatten wurden mit zierlichen Ranken, Laubwerk und Blumen
belegt, der Griff des Schlüssels gestaltete sich wie eine gothische Rosette,
der Bart desselben wurde durchbrochen gearbeitet in vielfacher Gestaltung.
Dieser Gestaltung entsprach irn Schlosse, im vGewirreu oder -Eingerichta,
wie die technischen Ausdrücke lauteten, mit vollständigster Genauigkeit
ein System von Zügen oder gebogenen Stäben oder Scheiben, welches
Schloss und Schlüssel dieser Art zu kleinen Meisterwerken macht. Solche
Schlösser und Schlüssel entstanden auch lange Zeit hindurch als Meister-
stücke der Gesellen, daher sich denn Manches erhalten hat und sich
heute überall im Besitze der Kunstfreunde befindet. Auch die Dillinger-
sche Sammlung zeigt eine Anzahl guter Beispiele.
Die Arbeiten der Renaissance hielten sich künstlerisch mit denen
der Gothik auf gleicher Höhe, nur fügte sie neue ornamentale Tecknik
für die Platten hinzu, Aetzung und Niellirung sowie Gravirung für die
Bachen Theile, während die runden und erhabenen zum öfteren mit
geschnittenem Ornamente versehen wurden. Dabei wurde aber die