lünstlerprofile
Erich Lessing
1 "Duellpistalen" - aus dem Buch
nk. u. k. Armee 1848-1914"
Z Peter Anich (1723-1766) „Heimat
großer Sahne" - aus dem „Gro-
en Usterreidiischen Bildkalender
1970"
3 Arrnbrustspanner und Setztarsche
- aus dem Buch „Deutsche Ritter,
Deutsche Burgen"
Die Fotografie, nach nicht älter als 140 Jahre, hat
sich in der industriellen Entwicklung Sdiritt für
Schritt eine Position erobert, wie keine andere
Erfindung des technisch-wissenschaftlichen Zeitalters.
Seit den experimentierenden Anfängen um 1830-
1840 ist der Fortschritt auf diesem Felde so rasant
vor sich gegangen, hat die Perfektionierung der
Apparaturen, Kopierverfahren und Aufnahme-
techniken ein solches Niveau erreicht und sind die
Vorstöße und Grenzüberschreitungen in das künst-
lerische Neuland einer autonomen Fotografie so
zahlreich geworden, daß man von einer appara-
tiven Kunst und von einem einmaligen Triumph
der Fotografie sprechen kann. Mehr als irgendeine
andere Erfindung hat die Fotografie alle Daseins-
bereiche durchdrungen und eine stete Veränderung
unseres visuellen Bewußtseins bewirkt. Einer der
seit vielen Jahren an der Spitze dieser Entwicklung
und Entfaltung steht, ist Erich Lessing.
Erich Lessing ist im Jahre 1923 in Wien geboren. Im
Jahre 1939 mußte er emigrieren. Er fand in Israel,
in Haifa, und später in einem Kibbuz eine neue
Heimat. Im Jahre 1947 gehörte er der Associated
Press an und bereiste in der Folge alle Länder
Europas, immer auf der Suche nach aktuellen
Bildern. Mit Ernst Haas war er einer der Begründer
der sogenannten Magnum-Gruppe und trug wesent-
lich dazu bei, daß diese Zeitschrift zu dem wichtig-
sten Organ unseres optischen Zeitalters wurde.
Erst im Jahre 1956 ließ er sich endgültig in Wien
nieder, um nach den vielen Wanderiahren ietzt
einen Weg zu beschreiten, der ihn wegführen sollte
von der aktuellen Fotografie, van den zeitge-
schichtlichen Dokumentationen in den Bereich einer
künstlerischen Interpretation der historischen Ver-
gangenheit. In kurzer Folge erschienen mehrere
Bildbände, die allgemeine Zustimmung fanden
und als außerordentliche und großartige Leistungen
der zeitgenössischen Fotografie empfunden wurden.
Erich Lessing erhielt für seine Arbeiten zahlreiche
Preise: 1956 den Art Directors Award, 1966 den
begehrten Fotopreis Prix Nadar, 1970 den Renner-
Preis, und 1974 wurde ihm der Titel Professor ver-
liehen. Zuletzt erhielt er den Preis der Stadt Wien
„Für angewandte Kunst" 1976. In allen Werken
Erich Lessings werden die Grenzen einer aktuellen
Fotografie und Dokumentation zum künstlerisdien
Neuland einer autonomen Fotografie hin über-
schritten. Die Bünde, 1965 „Die Odysee", 1967
„Entdecker des Weltraumes" und 1969 „Die Bibel"
erschienen zuerst in deutscher Sprache, wurden
aber dann ins Englische übersetzt und trugen
Lessings Ruhm in alle Länder. Weitere Bände über
Musiker, Reisen, das „lmago Austriae" sowie „Die
Spanische Hofreitschule" schlossen sich an.
Alle diese Arbeiten zeichnen sich dadurch aus,
daß es Erich Lessing gelingt, das fotografische
Bild so weit umzugestalten, zu inszenieren, das
heißt mit Atmosphäre anzureichern, so daß eine
ungemein verdichtete Aussagekraft und poetische
Intensität des Bildes die Folge ist. Bei Lessings
Arbeiten sieht sich der Betrachter nicht nur mit
einer sachlich-richtigen Information konfrontiert,
sondern vermag auch den zeitgeschichtlichen Hinter-
grund zu ahnen und damit den Geist einer Epoche
mit Hilfe neuartiger fotografischer Bildmittel einer
apparativen Kunst zu erleben.
Wilhelm Mrazek