was den Entwicklungsgang Segantinis deutlich
macht. Ein Stillleben aus der Küche (Zwiebeln
und Paradiesäpfel) von 1886 ist noch ganz
unsegantinisch; eine rundliche, weichliche, blond-
liche Malerei, die auf das Gefällige auszugehen
scheint. Drei grosse Gefliigelstudien aus den
folgenden Jahren: ein dunkler Truthahn, eine
weisse Gans, ein fasanrother Kapaun, zeigen
starke Befreiungsversuche der Anschauung wie
der Technik. Jede ist anders gemalt, der Trut-
hahn ein frottis von interessanten Klecksen, die
Gans ein flaumiges Ineinanderwischen von
Massen, der Hahn ein bereits virtuoses Stück
Streichmanier. Aber schon 1890, in der grossen
„Scholle" der Pinakothek, ist der endgiltige
Segantini lebendig. Von diesem sieht man dann
mehrere seiner eigenartigsten grossen Bilder,
bis in die letzte Zeit herauf, nebst Cabinetstücken,
wie die ihr Zicklein saugende Ziege („Liebevolle
Mutter"), wo der kurze, elastische Einzelstrich
seinen Triumph feiert, die „Trinkende Kuh", WO
durch Licht und Wolkenschatten eine höchst
energische Scala von Farbenleben in die Land-
schaft kommt, und das „Mädchen in der Sonne"
(1893) mit der weissen Ortschaft im Hinter-
grunde, die sich so auffallend mit Thoma'schen
Anschauungen berührt.
Von Rodin sieht man zunächst die „Bürger
von Calais", den Balzac-Kopf, die Eva, die nackte
alte Frau („1a vieille Heaulmiere" des Luxem-
bourg) in vergoldeter Bronze, den männlichen
Act: „Uäge d'airain". Lauter Werke, die bei
ihrem Auüzauchen auf das Leidenschaftlichste
bekämpft wurden. Lehrreich genug, dass einige
heute keinen Widerstand mehr finden werden.
So namentlich „L'äge dairain", der Urmensch,
Otto Eckmann, TapestrystoiT, ausgeführt von in dessen Hirn es plötzlich tagt, so dass er
K Schßidß" ä Co- i" KWMd sich geblendet an den Kopf greift und taumelt.
Im Jahre 1877 erschien er viel zu unstatuarisch
wahr; die Linien, das Detail, die Bewegung zu lebendig und Hiessend. Dann stellte man
ihn doch in den Luxembourggarten und an einen sehr schönen Platz. Die Sechs von
Calais (1888 begonnen, x8g5 in Bronze aufgestellt) kämpfen noch, aber der Sieg ist bereits
entschieden. Zu Gunsten der nichtgeometrischen Composition, in der eine freie, wilde
Rhythmik zu_ einem weit interessanteren Gleichgewicht gelangt, und zu Gunsten einer
Charakteristik der Formen und Temperamente, die das ganze Wesen aus dem Stoff
herausgreift und mit grossen Zügen aus dem Vollen gestaltet. Dass Rodin dabei nationale
französische Plastik macht, ist noch nicht genügend betont worden. Ehe diese Kunst durch
die Renaissance italianisirt wurde, war der Rodin'sche Griff in Frankreich zuhause. Ein
Blick in die Gipssammlung des Trocadero sagt davon mehr als nöthig. Und später wieder,
in der Barockzeit, fand er sich in der Provinz. Die bretonischen „Calvaires" mit ihren
iigurenwimmelnden Darstellungen der Passion, die sich auf einer Art Tischplatte
aufbauen, sind der Rodidschen Bürgergruppe verwandt, obgleich nur malerisch-decorativ