betroffen sind wir, wenn wir bei Filippino Lippi plötzlich
einen kleinen F arbenrausch antreffen, der uns verleitet,
seine Skizzen als decoratives Stück in unsere Zimmer zu
hängen, aber wie sehr müssen wir das als nebensächlich
ansehen gegen die gewaltige Sprache der Formen, die das
einzig Herrschende in dieser Kunst ist, das einzige Nicht-
Zufällige.
Die Italiener haben langsam ihre Bilder mit ihrer Ar-
chitektur vermählt. Zuerst versuchten sie noch episch und
chronistisch zu erzählen und füllten die oberen Hälften
ihrer Bilder mit vielen Häusern und Bäumen, dann ver-
liebten sie sich in die Einzelfigur, in das Ideal des Men-
schentypus und ordneten ihre Geschichten in der Ab-
messung des Gottesdienstes, dessen Rhythmus sich auf
ihren Madonnenverehrungen so oft wiederzuspiegeln
scheint. Sie nahmen das Bild als Ganzes und setzten es
in gleicher Weise hinter die Altäre wie an die Decken. End-
lich liessen sie sich in der Architektur selbst, von den Vouten
und Zwickeln und Kuppeln anregen und projicirten ihre
Bilder in dieses Gerüst hinein, so dass die scheinbare
Welt in der wirklichen aufging. Sie erreichten die volle
Einheit von Malerei und Architektur, ihrer Architektur,
die selbst so bunt war und die bunten Flächen liebte.
Zwischen den weltlichen Hochzeiten von Amor und
Psyche und den geistlichen Vermählungen aller Heiligen
war ein geringer Unterschied, eigentlich gar keiner. Wie
Christus auch in venezianischen Hallen speiste, so ver-
Thürgrilf, Messing, gnügten sich die mythologischen Wesen in den Formen,
H"h'""1_'e"'ka"f' die sich in der Kirche ausgebildet hatten. Die Renaissance
haus, Berlin, Pariser ,_ _ _ _ __ ,
Wgikausgtgnung um kennt trotz aller Palaste keine speciflsch haushche Kunst,
Grotesken schwingen sich in Kirchen wie Bibliotheken
und die Mythologie wird gern moralisch. Das Haus hat niemals den Stil
gemacht, man kannte nur jenen festlichen Gottesdienst, der Renaissance
heisst, weltliche Religion, und was Savonarolas Anhänger verbrannten, war
nicht weltlicher gewesen, als was sie von nun an malten. Die das orate pro
pictore auf ihre Bilder setzten, sind Heiden geblieben, wie die Bildner
hellenischer Epheben. Alles Decorative, was diese Kunst hatte, ist vom
Raum der Öffentlichkeit bestimmt, von den grossen Massen der Renaissance-
architektur. Wir müssen uns in die starke Sehnsucht der Zeit nach schönen
Proportionen zurückversetzen, um die Wirkung ihrer Bilder zu verspüren,
jene Wirkung, die nicht von ihrer Deutung abhängt, sondern von ihrer
unwillkürlichen Anregung auf unser Auge, wenn wir sie von Weitem als
Formen zu uns sprechen lassen. Wölfflin in seiner „classischen Kunst" hat
öfters diese Werke scandirt nach ihren Abmessungen und Accenten, wie