umgeht, sondern man fasst ihn aus einer gewissen Entfernung auf und
erkennt, dass einige Theile näher, andere ferner liegen.
Mit der Diadochenzeit als Vorstufe wäre dann die Kaiserzeit (meines
Erachtens nicht allein die spätere) als die optisch-fernsichtige, dreidimen-
sionale Kunstperiode zu bezeichnen.
Auch die freistehenden Figuren waren
in früher Zeit immer nur für einen Blick
berechnet, selbst noch die des Myron und
Phidias; Figuren des Skopas und Praxiteles
mochte man schon von einigen Stand-
punkten würdigen können; aber erst seit
Lysipp gibt es Statuen, die volle Rundung
haben und von allen Seiten gleich gesehen
werden sollten. Aber es gab auch hier,
wie wir sehen werden, eine Grenze für
Gang am Relief: das ägyptische Relief ist
flach, man steht so zu sagen jedem Theile
gleich nahe; das griechische Relief rundet
sich immer mehr, aber es bleibt immer
noch in der Ebene; erst die spätantike Zeit
löst es davon. Um die Figuren werden
Furchen gezogen, ja in Constantinischer
Zeit werden die Figuren, wenn sie auch
Porträtkopf aus Bronze, Conservatorenpalast Selbst nicht volle Rundung habgn, an den
Rändern unterarbeitet. Jetzt erst löst sich
die Figur vom Grunde; die Figuren bekommen Raum zwischen sich. Aber
doch ist die ganze antike Kunst nie darüber hinausgekommen, mehr als das
einzelne Ding im Raum zu isoliren. Daher können noch in später Zeit die
Figuren in - unseren Begriffen nach - ganz falscher Grösse neben oder
hinter einander erscheinen. Darum gibt es perspectivische Verkürzungen
bei einzelnen dargestellten Gebäuden und anderen Gegenständen, aber nie
eine einheitliche Bildperspective. Dazu ist Europa erst seit dem XV. jahr-
hunderte gelangt und auch Europa allein.
Daher kommt es aber auch, dass „die spätrömische Kunst dem moder-
nen Empfinden vielleicht ferner liegt als irgend eine andere Kunst".
Darum erscheint sie heute auch so oft als Verfall, ja als Unkunst. Heute ist
uns eben der Raum das Erste in der Vorstellung und in diesen Raum ver-
setzen wir die Dinge. Der antiken Kunst fehlt die Vorstellung des Raumes
als Vorbedingung immer, und dieses Fehlen stört uns heute dort am
meisten, wo der Einzelngegenstand sich bereits am freiesten von der Fläche
gelöst hat. Aber dass hier trotzdem ein ununterbrochener Fortschritt vorliegt,
darf nicht geleugnet werden. Es handelte sich dem spätantiken Beschauer
vor allem um das Loslösen des Einzelngegenstandes vom Raume; schon
die antike Kunst. Noch klarer wird der.