beiden Gefährten in der Nacht zu leiden hatten. Es heisst nicht zu viel in das
mit vollendeter Meisterschaft ausgeführte Bild hineininterpretieren, wenn wir
in demselben mehr erblicken, als einelllustration zu dem an sich recht harmlosen
Abenteuer. Es führt uns den ganzen Zauber eines auf nächtlichen Gewitter-
regen folgenden sonnigen Morgens im Freien vor, und wenn der könig-
liche Verfasser von „Regnault und Jeanneton", in dem er „das Erwachen
des Frühlings und der Liebe in der Natur liebenswürdig und rein
schilderte", es nicht gar selbst in all seinen Einzelheiten dem Maler
skizzierend andeutete, so hat er gewiss an demselben das höchste Gefallen
gefunden. Die von leichten Nebeln umhüllte Sonne hat sich eben über den
Horizont erhoben - man beachte die langen Schatten, welche die Gebüsche
werfen -, der Rasen, bei dem man jeden Grashalm unterscheiden zu
können glaubt, ist noch taufrisch, der links befindliche Baumstamm
erscheint in prächtiger Morgenbeleuchtung - das ist ungefähr die Szenerie,
welche die beiden dargestellten Gestalten umgibt. Coeur, eine edle schlanke
Jünglingsgestalt, ist, unschulds- und doch auch wieder ahnungsvoll, mit dem
Entziffem der Inschrift beschäftigt, während Desir, der unseren Coeur - und
welches Herz denn nicht? - begleitet, noch schläft. Coeurs Helm, auf dem
ein Herz mit zwei Flügeln, um die sich pensees (Stiefmütterchen) winden,
erscheint, steht neben dem Schlafenden. Die von dem Text des Romans
unabhängige Allegorie, die das Erwachen in der Natur in Zusammenhang
bringt mit dem erst „lesenden" Herzen und dem noch schlummernden Ver-
langen, ist zu naheliegend, als dass dieser Sinn sich dem denkenden Beschauer
nicht aufdrängen müsste. Der Schatz an künstlerischen und Stimmungs-
motiven, den dieses Meisterwerk der Miniaturkunst einschliesst, ist, wie hier
beiläufig bemerkt sei, noch nicht völlig gehoben. Der Zauber, der beiBetrach-
tung solcher Bilder gefangen nimmt, darf aber nicht dazu verleiten, bezeich-
nende Einzelheiten, die von dem zeichnerischen und malerischen Geschick
unseres Meisters zeugen, zu übersehen. Man beachte zum Beispiel auf dem
eben besprochenen Bilde, wie die gute Behandlung der Perspektive die Augen-
höhe Coeurs mit dem Gebüsch am Horizont zusammenfallen lässt, ferner die
Wirkung der Sonne auf das Profil des Lesenden, auf die in recht naturwahrer
Haltung wiedergegebenen Pferde und auf den schlafenden Knappen.
Ähnliches gilt auch von dem dritten hier vorgelegten Bilde. Rene, der
in seinen jugendjahren so lange Zeit im Lager zugebracht hatte, führt uns in
eine solche aus Leinwand gebaute leichte Stadt. Die Bitte Desirs um Hilfe für
Coeur bei dem mächtigen Honneur gibt hierzu Gelegenheit. Dieser wohnt
natürlich in einem Prachtzelt. Als Desir diese tente suchte, „assez fut, qui lalui
monstra", _wie es im Texte heisst. Das Original des Zeltes,wo „honneur tenoit
conseil avecques ses barons", dürfte sich in Renes Besitz befunden haben;
die Vorliebe des Königs für Prachtstücke der Kunstindustrie steht fest, ebenso
die Tatsache, dass seine Schlösser Sammelstätten solcher Objekte waren,
die er w das gilt ja sicher von den oben erwähnten Teppichen, von dem
Rock und Köcher Amours - leicht den von ihm beschäftigten Malern