MAK

Volltext: Monatszeitschrift VI (1903 / Heft 2 und 3)

Gemächer wird nun durch eine Kapelle und den Vorraum zu derselben 
unterbrochen, in welcher Gegenstände kirchlicher Kunst des I7. und 
18. Jahrhunderts aufgestellt sind. Es folgen ein Raum mit Türkenbeute und 
ein Miniaturen-Kabinett, sodanneinreizvollerRokoko-Saal aus dem ehemaligen 
gräflich von der Wahl'schen Palais in München. An diesen Raum schliesst 
sich der grosse Prunksaal mit Musik-Galerie, der die Zeit des Kurfürsten 
Karl Albert (1726-1745) repräsentiert. Der nächste Saal, der Saal Max 
Josefs III. birgt Reminiszenzen an die Gründung der Akademie der Wissen- 
schaften und enthält nebst Porträtbildern von Akademikern unter anderem 
die ersten Schränke dieses Institutes. Hierauf folgen ein bürgerlicher Rokoko- 
Raum, das Elfenbein-Kabinett und zwei Modell-Säle. Den Schluss der kultur- 
historischen Sammlung bilden fünf Regenten-Säle, welche die Zeit von 1777 
bis 1886 repräsentieren. Der Besucher hat somit einen Zeitraum von mehr 
als 2000 Jahren Kulturgeschichte auf bayerischem Boden an sich vorüber- 
ziehen lassen, und wenn auch die letzten 500 Jahre naturgemäss in grösserer 
Anschaulichkeit und Fülle vor Augen geführt wurden, so haben sich doch 
nirgends klaffende Lücken ergeben. Soweit man also die Anordnung im 
grossen und ganzen vor Augen hat, soweit man das Prinzip an sich in 
Erwägung zieht, und die Absicht, die demselben zu Grunde liegt, muss der 
Ausgestaltung des neuen Münchener National-Museums volle Anerkennung 
gezollt werden. 
Nicht in demselben Masse lässt sich das Detail der Ausführung als muster- 
giltig bezeichnen. Ein Museum kann und darf nicht den Charakter einer 
Sammlung verlieren. Der Umstand, dass die einzelnen Objekte zu ver- 
schiedenen Zeiten von verschiedenen Orten her ins Museum kamen, dass sie 
das Ergebnis langen, fleissigen Zusammentragens sind, lässt sich nicht ver- 
wischen, ohne dass ihnen Gewalt angetan wird. Die Zwangsgemeinschaft, 
in der sie beisammen sind, haftet ihnen an, und will man sie maskieren, so 
muss man lügen. Das einzelne Objekt ist, sobald es in ein Museum gelangt, 
aus dem Leben und aus dem allgemeinen, natürlichen Zusammenhang 
gerissen, gegen diese Tatsache anzukämpfen, ist unverständig. Es ist auch 
nicht der Verstand, es ist die Empfindung, das Gefühl, das dagegen an- 
kämpfen will. Daher sind es jene Menschen, welche in hervorragendem Masse 
die Welt der Tatsachen durch das farbige Glas persönlichen Emplindens 
betrachten, die Künstler, die um jeden Preis, auch um den der Wahrheit und 
Echtheit, jenen Zusammenhang wieder herstellen wollen. Eine solche Wieder- 
herstellung in der realen Welt ist aber nur möglich, wenn man entweder in 
der Lage ist, ein echtes Original genau zu kopieren, oder wenn echte Innen- 
räume mit allem dazugehörigen Hausrat herbeigeschafft werden können. 
Dabei kommt es natürlich nicht darauf an, dass es derselbe Hausrat sei, der 
sich in dem Raume befand, als die Zeitgenossen seiner Entstehungsperiode 
ihn benützten, wenn nur gegen die Zusammengehörigkeit vom geschichts- 
wissenschaftlichen Standpunkte nichts einzuwenden ist. Ist dies aber der Fall, 
wird die Wissenschaftlichkeit nicht mit rücksichtsloser Strenge gewahrt,
	        
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