MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Oberösterreich und Salzburg

7 
langes Thal liegt unter uns, weltabgeschieden und einsam; so weit das Auge reicht, ist 
keine Spur menschlicher Ansiedlung, selbst der schmale Pfad, der über den jähen Abhang 
hinabführt, verliert sich nach wenigen Schritten im Gerolle. Im Süden thront der große 
Priel, der König des Todten Gebirges; blinkender Schnee umsäumt seinen weißgrauen 
Gipfel; an ihn schießen wie Krystalle mehrere furchtbar zerklüftete Grate an, von denen 
der eine über den Zwillingskogel und das hohe Kreuz, ein zweiter fast parallel vom 
Rothgeschirr über das Schneethal und den Edlerkogel gegen Nordwest verläuft. Wir stehen 
am Nordrande der Alpen; die Kühnheit der Formen, in deren Gestaltung sich gerade am 
Prielstocke die elementaren Natnrkräfte in ihrer ganzen Gewalt zeigen wollten, erlahmt, 
je weiter die nordwärts ansgreifenden Arme herabsinken. Die grauen Dolomitnadeln 
stumpfen sich ab zu massigen Blöcken, wo der Wald anfängt, schwingen sich die Linien 
immer sanfter und in dämmernd blauen Hügelketten enden die zerrissenen Grate, welche 
vom Todten Gebirge nach Norden ziehen. Ungeheure Waldmassen erfüllen auf viele 
Stunden weit das Thal und liegen in lautlosem Schweigen unter uns; fast beengend wäre 
der Ernst dieses eigenartigen Bildes, blickten nicht aus der Tannenwildniß zwei kleine 
malachit-grüne Seen, die Ödseen, freundlich zu uns herauf. 
Wir kehren zurück an die Terrassen der Steyr und wandern auswärts an derselben 
sowie an ihrem Nebenflüsse, der Teichel, in das Thal von Windischgarsten. Auch hier 
nach, in einer Höhe von über 600 Meter begegnet uns der fruchtbare, bunte Charakter 
des oberösterreichischen Hügellandes; Wiesen und Saatfelder, auf denen noch der Weizen 
reift, wechseln mit kleinen Wäldchen, unter Obstbünmen versteckte Einzelngehöfte sind 
überall zerstreut, isolirte kegelförmige Waldberge tauchen wie Inseln aus dem sonnigen 
Thalbecken auf; um diese Stätte blühendsten Lebens schließt sich aber ein Kranz von hohen 
Gebirgen, das breitrückige Warscheneck, die edelgeformte Pyrgasgrnppe, das langgezogene 
Sensengebirge und — die Perle von allen — die prächtige Prielkette. 
Von dem gastlichen alten Hauptorte des Thales aus suchen wir die schönen 
Details auf, die uns die Umgebung in Hülle und Fülle bietet: das im XII. Jahrhundert 
als Hospiz für die Kreuzfahrer gegründete Spital am Pyhrn mit der vornehmen 
Barockkirche und den Marmorrninen seiner einstigen Abtei, den schwermüthig dunklen 
Gleinkersee, den geheimnißvollen Ursprung der Piesling, welche unter einer schwindelnd 
hohen Wand in dunkelgähnender Grotte als tiefblauer Tümpel zu Tage tritt und, den 
Rand der Felsenschale überflutend, in blendenden Wasserfällen zur Tiefe schäumt. Was 
uns aber immer wieder am mächtigsten anzieht, das ist der geheimnißvolle Zauber jener 
starren Schrofen, die von Westen hereinlugen, des hohen Priel mit seinen gewaltigen 
Nachbarn. Eine vierstündige Wanderung führt uns an dem Fuße dieser Berge in das 
Thal von Hinterstoder.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.