Kunstgeschichtlich interessant sind die Bilder Waldmüllers, besonders die Landschaften,
die Licht- und Luftprobleme versuchen und selbständig lösen. Bezeichnend für eine
Berliner Gruppe, die treufleißig Wirklichkeitsschilderei trieb und liebevollen Sinn für allen
Anteil der Umwelt hatte, die von Chodowiecki stammt und in Menzel höchste Voll-
endung fand, sind die Bilder Hummels von der „Granitschale im Lustgarten".
Auch der plastische Besitz wurde vermehrt. Eine verkleinerte Nachbildung des
Rodinschen „Penseur", eine hervorragende Porträtbüste Werner von Siemens von Hilde-
brandt in der gesammelten großzügigen Art dieses Künstlers, ein machtvoller monumen-
taler Bronzelöwe von August Gaul, das sind diese skulpturalen Neuerungen.
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Die Berliner Chronik hat noch den Umbau des Königlichen Schauspielhauses zu
melden. Eine eigenartige Arbeit ist hier vollzogen worden. In den vollkommen erhaltenen
Rahmen des Schinkel-Baues wurde ein ganz neuer Innenraum hineingesetzt.
Viele technische Finessen wurden dabei angewendet und sie sind das Interessanteste
der Sache. Die ursprünglichen dicken Mauern, die brüchig und widerstandslos geworden
sind, wurden durch Eisenträger ersetzt und dadurch gewann man gegen früher reichlich
Platz, um mustergültige Garderoben zu schaffen, die in ihrer hellen, luftigen Stimmung mit
den blanken Möbeln und dem schmucken Gerät an wohlgepliegte SchiHskabinen erinnern.
Vordem waren es fensterlose enge Kammern ohne Licht und Luft, gleich Kellerlöchern.
Der Platzgewinn ermöglichte noch eine wichtige Neuerung, die Schaffung einer breiten
und tiefen Seitenbühne, auf der die Verwandlungen vorbereitet, ganze Szenerien aufge-
stellt und auf leicht funktionierenden Rädermaschinerien auf die Vorderbühne gerollt
werden können. Das hat einen Vorzug gegen die Drehbühne, die doch immer einen Teil
der Hauptbühne absorbiert, während hier die ganze Tiefe ausgenützt werden kann.
Technisches Rafiinement waltete auch bei der Neuanlage der Aufgänge zum zweiten
und dritten Rang. Sie sind so komponiert, daß sie bei geringster Raum-Inanspruchnahme
(die gewundenen Treppen drehen sich umeinander) größtmöglichste Sicherheit bieten.
Um die Innenarchitektur und die Schmuckausbildung des Zuschauerraumes hat sich
in der Berliner Presse ein lebhafter Streit erhoben; der Tadel gegen diese Lösung des
Wiesbadener Professors Genzmer ward an mancher Stelle allzu leidenschaftlich ausge-
sprochen und eine etwas krampfhafte nachträgliche Begeisterung für das alte Innenhaus
produziert. Diese Begeisterung ist nun wirklich recht unmotiviert. Was von der früheren
Anlage edel und mustergültig war, der Apollosaal und der große Konzertsaal in ihren reinen
harmonischen Formen und den ruhevollen gesammelten Farben ist geblieben. Der
Zuschauerraum aber hatte vor allem in seiner oberen Höhe nichts, dem man trauernd nach-
weinen möchte. Die Neuschöpfung bietet Vieles, was das Frühere übertrifft und sie
ist gelungener als die meisten unserer Berliner Theater. Einwände lassen sich gegen die
oft etwas kleinliche und dabei zur Uberladung neigende Manier der Dekoration machen,
allzu viel Medaillons und Friese herrschen vor, eine Kleinkunst, die den Raum mit ihrem
Durcheinander unruhig macht. Verstimmend wirken die nachgemachten steifen Strauß-
federbüsche auf dem Zeltdach der kaiserlichen Loge. Gegen solche Dinge ist moderner
Geschmack empfindlich. Etwas Mißliches hat das breite Her-ausführen des ersten Ranges
über die letzten Parkettreihen, die dadurch gedrückt werden, während in der Oper
gerade durch den weichen Übergang vom Parkett zum ersten Rang eine sehr glückliche
raum-ästhetische Wirkung entsteht.
Aber von solchen Bedenken, die Sachlichkeit nicht verschweigen kann, abgesehen,
gibt es nicht wenig anzuerkennen. Schon die Farbenstimmung ist fein und besonders.
Statt des gewohnten Rot wurde die reizvolle Mischung von Weiß und Grün gewählt, das
Grün in weicher und warmer Moosnuance. Ein aparter Stoß" im Empiregeschmack be-
spannt die Wände und stimmt die neu entstandenen kleinen Parkettlogen zu charmanten