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geformten Teller, Urnen und Becher gehen auf keltische Formen zurück,
sind durchweg von einheimischen Galliern hergestellt und mit poliertem Ruß
gefärbt. Man nennt diese schieferfarbige Ware, welche wie die Sigillata
gewöhnlich mit Fabriksstempeln versehen ist, „terra nigra".
Die malerische Dekoration der Griechen ist in der römischen Keramik
fast allgemein durch die plastische ersetzt. Reliefs in Streifen, Medaillons
und Einzelfeldern verschiedener Form schmücken die meist halbkugelig
nach oben erweiterten Sigillataschalen. Sie sind durch Negativformen aus
weißem feuerfesten Ton gewonnen, in welche man, solange sie noch weich
waren, von innen Model mit Reliefs eingedrückt hatte. Beiden oben erweiter-
ten Gefäßen besteht die Form aus einem Stücke, da die eingedrückte
Sigillata beim Trocknen schwand, das heißt sich zusammenzog und so ohne
Schaden aus der Formschale herausgenommen werden konnte. Bei Gefäßen,
die sich nach oben verengten oder komplizierte Profile hatten, benützte
man Hohlformen aus zwei oder mehreren Teilen. Bei anderen wurden die
Reliefverzierungen auf weiche Sigillataplättchen aufgedrückt, zum Beispiel
Medaillons, und diese auf das glatte mit der Drehscheibe hergestellte Gefäß
befestigt. Auch durch Barbotine, das heißt durch Aufguß flüssigen Ton-
schlammes wurden Reliefs von Ranken, Tropfen, Perlenstäben, Gittermustern,
Blättern, tierischen und menschlichen Figuren, besonders Jagden auf Rehe
und Hasen, hergestellt. Gewöhnlich herrschte Einfarbigkeit. Ein gleich-
mäßiger, mattglänzender roter Firnis überzog den Grund und die Reliefs;
bei den Bechern mit jagdszenen sowie Trinkbechern trat an seine Stelle
manchmal im belgischen Gallien und am Rhein ein metallisch reflektierender
dunkelbrauner Überzug, auf welchem dann noch Weinranken, Namen und
Devisen in weißer und orangegelber Farbe aufgemalt wurden. Auch auf der
hellroten belgischen Ware Findet man weißes Rankenwerk und Sinnsprüche,
die zum Trinken und Lieben auffordern. Eine andere Verzierungsart, der
Kerbschnitt, diente, wie in der Glasindustrie, durch Anreihung linsenförmiger
Vertiefungen zur Herstellung von Rosetten, Ähren und Blattgewinden.
Unsere Kenntnis der römischen Keramik, über welche so lange
undurchdringliches Dunkel schwebte, ist in neuerer Zeit durch die archäo-
logische Forschung am Rhein, namentlich von Seite Lindenschmits,
Könens, Schumachers und Dragendorffs historisch und technisch sehr
gefördert worden. Letzterer hat sich insbesondere mit der Sigillata
beschäftigt, die Ergebnisse seiner 1896 erschienenen Hauptarbeit)" jedoch
in wichtigen Punkten durch zahlreiche spätere Nachträge und Berich-
tigungen wieder aufgehoben, so daß eine abschließende Darstellung leider
immer noch fehlt.
Zu den unerwiesenen Behauptungen dieser Abhandlung gehört die,
daß größere Sigillaten immer auf der Außenseite, niemals innen dekoriert
gewesen seien. Bei der Bearbeitung eines umfangreicheren wissenschaftlichen
Stoffes gilt es ja, die einzelnen Erscheinungen zu gruppieren, die analogen
"' Bonner jahrbuch güfgy, S. 18 B".