Welcher Kontrast zwischen größter Einfachheit und größtem Luxus der
Ausstattung bei der Nebeneinanderstellung der armseligen Krippe von Beth-
lehem und diesen zumeist im ehemaligen Burgund und bis nach Flandern
vorkommenden, dem Heilandkultus gewidmeten, mit reichem juwelenglanz
und höchster Kunstvollendung ausgeführten Jesuswiegen, ein Kontrast, so groß
wie der zwischen der Ruhebank der heiligen Familie auf der Flucht nach
Ägypten unter dem Palmenschatten der Oase, und den funkelnden Hoch-
altären der Kathedralen, auf denen in goldenem Glorienschein die Madonnen
der van Eyck und Memling thronen!
Abb. 53. Holzskulptur "jesuskxippe", französisch, Ende des XIVJahr-
hunderts. Höhe 0,315, Breite 0,42 Meter
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN 51h VON
LUDWIG HEVESI-WIEN 50'
DALBERT STIFTER ALS MALER. Irn Österreichischen Kunstverein ist
unter anderen vormärzlichen Bildern jetzt ein ganzes Kabinett voll Bilder und
Studien Adalbert Stifters zu sehen. Die meisten sind im Besitz des Herrn K. A. Bachofen
von Echt in Nulldorf, der in dem berühmten Erzähler längst den weniger anerkannten
Maler kultiviert. Wie man aus der trefflichen Stifter-Biographie Alois Raimund I-Ieins aus-
führlich erfährt, glaubte Stifter wie Gottfried Keller, Gerhart Hauptmann und noch mancher
bedeutende Dichter lange Zeit, zum Maler geboren zu sein. „Als Schriftsteller bin ich
nur Dilettant und wer weiß, ob ich es auf diesem Felde weiter bringen würde, aber als
Maler werde ich etwas erreichen." So schrieb der junge Mann und im Aufschwung der
Zuversicht gelegentlich: „Ich bin so eitel zu sagen, auch ich bin ein Landschaüsmaler."
Aber sein Talent war doch ganz anders orientiert. Die Selbsterkenntnis bleibt nicht aus.
Diese „immer neuen Kolorite", die ihm einfallen, sind „so schön im Kopfe und wie oft so
elend auf der Leinwand." „Wie ein Sieb," klagt er zu Rosegger, „ist diese Leinwand, nur das